Foto: Standard/Cremer
Ich gebe zu, dass ich mich selbst auch manchmal dabei ertappe, mit unterschiedlichem Maßstab zu messen, je nachdem, ob das Gemessene mir sympathisch ist oder nicht. Ich hoffe, dass ich es - wenigstens im Nachhinein - immer bemerke und in der Lage bin, mein Urteil zu korrigieren. Im übrigen bin ich allerdings überzeugt, dass dasselbe - von verschiedenen Leuten gesagt - nicht dasselbe ist. Das nur nebenbei. Dieser Tage hatte man Gelegenheit, im 'profil' manches vom Demokratieverständnis und den Maßstäben eines Mannes zu lesen, der für die Blattlinie einer Tageszeitung verantwortlich zeichnet, die sich als "die bürgerliche" des Landes versteht. Was die Beurteilung antisemitischer Äußerungen betrifft, beruft er sich darauf, Jurist zu sein. Na, und juristisch nachweisen konnte man doch noch nicht, oder? Aber es sei doch die politische Beurteilung eines Leitartiklers gefragt!? Er als Jurist könne doch nicht sagen, das Recht interessiere nicht, was sei denn das für eine Basis für politische Urteile! (Dass das Recht nicht interessieren soll, hat übrigens kein Mensch verlangt.) Kommen wir lieber zum Demonstrationsrecht. "Wer über die Straße statt über die Wahlzelle Anliegen durchsetzen will, der gefährdet die Demokratie", meint er. Demonstrationen dürfen die Politik nicht unter Druck setzen. Na ja, wirklich beängstigend waren zwar die bisherigen gewerkschaftlichen Übungsversuche nicht, aber vielleicht meint er, wenigstens hier sollte man den Anfängen wehren? Wie er denn, wird gefragt, angenommen, es komme im Herbst dazu, punktuelle Streiks beurteilen würde? Gesetze würden sie zwar nicht verletzen, "aber politisch, moralisch wertend, hielte ich es für unberechtigt". Wie war das doch gleich mit dem Juristen? Kann man demokratische Kultur wirklich so leicht teilen? Wie gesagt, wer ertappt sich nicht. Ich fürchte nur, im gegenständlichen Fall bleibt das Ertappen den Leserinnen und Lesern vorbehalten. Und das ist nur ein kleines Beispiel aus diesem erleuchtenden Interview, das den Titel trägt: "Es droht das Faustrecht der Straße". NACHLESE --> Die Ersatzdiskussion – diesmal am Beispiel Schule --> Das hohe Ross des Herrn Dr. K. --> Mehr Wahrheit in die Redaktionsstuben! --> Die Ehre der Waffen --> Appell, sich wenigstens dem Sprachbetrug zu verweigern --> Das zynische Ablenkungsmanöver --> Zurück in die Vergangenheit --> Das Sein bestimmt die Bereitschaft zum Bewusstsein --> Ist Wien anders? --> "Bitte einmal rechtzeitig --> Die unerträgliche Leichtigkeit der Demontage --> Die Selbstbestimmung, die sie meinen