Foto: PhotoDisc
Wien - In einer Entscheidung vom 27. April 2001 (1 Ob 27/ 01d) hat sich der Oberste Gerichtshof (OGH) durch einen verstärkten Senat umfassend zu Punkt 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Kreditinstitute (AGB-KrU) sowie zur Wirkung eines Saldenanerkenntnisses geäußert. Im zitierten Fall hat eine Bank dem Erstbeklagten einen Kredit gewährt, prolongiert und erhöht und hierfür von dem Erst- und der Zweitbeklagten Sicherheiten erlangt. Nach einiger Zeit hat die Bank den Kredit fällig gestellt und von den Beklagten Zahlung gefordert. Die Klage wurde unter anderem darauf gestützt, dass die Beklagten Rechnungsabschlüsse, aus der die dann eingeklagten Schuldsalden hervorgingen, unbeanstandet angenommen hätten. Damit hätten sie diese Salden konstitutiv (rechtsbegründend) anerkannt, meinte die Bank. Der OGH hat nun grundlegend entschieden: Zunächst hat der Senat die Judikatur bestätigt, wonach gegen Punkt 10 AGB-KrU inhaltlich keine Bedenken bestehen. Nach dieser Bestimmung müssen Reklamationen gegen Auszüge über Verrechnungsperioden (z. B. Kontoauszüge) und gegen Rechnungsabschlüsse und die darin festgestellten Salden sowie gegen Wertpapieraufstellungen bei den Banken innerhalb von vier Wochen ab Zugang des betreffenden Schriftstückes einlangen. Die Unterlassung einer rechtzeitigen Reklamation gilt als Zustimmung durch den Kunden. Dies gilt mit geringfügigen Modifikationen auch für Verbrauchergeschäfte. Weniger großzügig Weniger großzügig den Banken gegenüber war der OGH hinsichtlich der Wirkung eines solchen Saldenanerkenntnisses: Der OGH hat zwar implizit bestätigt, dass - wenn die AGB-KrU tatsächlich zur Grundlage für das Kreditverhältnis gemacht wurden - Stillschweigen zu einem im Vorhinein normierten Erklärungsinhalt ("Anerkenntnis") gemacht werden könne, doch hat er die Wirkung eines solchen Saldoanerkenntnisses eingeschränkt. Er hatte nämlich zu entscheiden, ob ein solches Anerkenntnis (durch Stillschweigen) "konstitutiv" oder lediglich "deklarativ" wirkt. Würde ein Anerkenntnis konstitutiv wirken, so hätte dies zur Folge, dass es einen selbstständigen Rechtsgrund (wie etwa eine vertragliche Vereinbarung) begründen würde, auf den allein schon eine erfolgreiche Klage gestützt werden könnte. Bei einer Qualifikation als bloß "deklarativ" hätte das Anerkenntnis hingegen nicht die Wirkung eines solchen selbstständigen Verpflichtungsgrundes, sondern würde lediglich eine Wissenserklärung darstellen, die im Rechtsstreit als (widerleglicher) Beweis zu behandeln wäre. Der OGH hat nun die Qualifikation eines Saldenanerkenntnisses wie des streitgegenständlichen als konstitutiv verworfen. Zwar sei das konstitutive Anerkenntnis ein Feststellungsvertrag zwischen Gläubiger und Schuldner, der auch konkludent (also schlüssig, falls keine zweifelhaften Umstände über den Erklärungswert des Stillschweigens vorliegen) abgeschlossen werden könne. Doch setze der (konkludent) abgeschlossene Vertrag voraus, dass er der Bereinigung eines ernsthaft entstandenen konkreten Streites oder Zweifels über den Bestand einer Forderung dient. Rechtsgrund nötig Liegen ein solcher Streit oder Zweifel hingegen nicht vor, so kann das Anerkenntnis nicht dazu verwendet werden, einen Zweifel beziehungsweise Streit präventiv auszuschließen. Würde man dies nämlich zulassen, so läge ein "abstraktes" Versprechen vor, also eine vertrag- liche Verpflichtung ohne entsprechenden Rechtsgrund. Die Wirksamkeit solcher abstrakter Schuldverhältnisse ist in Österreich jedoch - von gesetzlich festgelegten Ausnahmefällen abgesehen - ausgeschlossen. Daraus folgt für den OGH, dass bei Unterlassung der fristgebundenen Reklamation gegen Rechnungsabschlüsse in der Regel nur von einem deklarativ wirkenden Saldoanerkenntnis auszugehen sei. Wenn allerdings eine Bank nachweisen kann, dass dem (stillschweigenden) Anerkenntnis ein ernstlicher Streit oder ernstliche Zweifel über den geschuldeten Vertrag vorangingen, so kann das Anerkenntnis ausnahmsweise doch einen selbstständigen Verpflichtungsgrund schaffen. Lagen ein solcher Streit oder solche Zweifel hingegen nicht vor, so kann die Übermittlung des Kontoauszuges und das nachfolgende Schweigen durch Kunden für die Bank allenfalls ein prozessual vorteilhaftes Beweismittel sein - das aber der freien Beweiswürdigung durch das Gericht unterliegt. Vom Schweigen auf Bankbriefe ist daher in Zukunft vor allem demjenigen abzuraten, der mit seinem Kreditinstitut bereits die Klingen gekreuzt hat. (DER STANDARD, Printausgabe 28.8.2001)