Alpbach - Europarat und EU spielen eine zentrale Rolle in der Biotechnologie-Debatte in den osteuropäischen Reformstaaten. Dies wurde am Montag von Experten aus ganz Europa bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen betont. Unter den zehn Staaten, welche die Biomedizin-Konvention des Europarats bereits ratifiziert haben, sind auch die Slowakei, Slowenien, Rumänien und Tschechien. Doch das Bild in den Kandidatenländern ist differenziert. So hätten etwa Estland und Lettland eine stark anglosächsische und eher forschungsfreundliche Haltung in Fragen der Biomedizin, sagte Peteris Zilgalvis von der Abteilung Bioethik des Europarats. Die estnische Regierung hat etwa eine Stiftung gegründet, in der die Erbinformationen der gesamten Bevölkerung gesammelt werden sollen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wird laut Zilgalvis auch in Lettland diskutiert. Dagegen gebe es in vielen Ländern mit starker katholischer Tradition mehr Widerstände gegen die Biotechnologie. Doch auch in Polen existiere es ein breites Meinungsspektrum von der katholischen Kirche bis zur sozialdemokratischen Opposition, sagte der Experte. Regelwerke Mit Ausnahme der Biomedizin-Konvention des Europarats gibt es nach Auskunft von Zilgalvis keine nationalen gesetzlichen Regelungen zu Stammzellen- und Embryonenforschung in den mittel- und osteuropäischen Reformstaaten. "Ich glaube nicht, dass viel Forschung in diesen Ländern in Gang ist", fügte er hinzu. Ungarn und Slowenien haben nationale Medizinethik-Konventionen, die über Forschungsprojekte entscheiden. Anders ist die Sache in Polen geregelt, wo 50 regionale Bioethik-Kommissionen existieren, aber auf Druck der Wissenschaft eine von der Regierung angestrebte zentrale Kommission verhindert wurde, wie Andrzej Gorski von der Akademie der Wissenschaften in Wroclaw erläuterte. Wird ein Forschungsprojekt nicht genehmigt, kann der Antragsteller beim Gesundheitsministerium Berufung einlegen. In Tschechien mangle es großteils an Geld für Einrichtungen und Weiterbildung in Sachen Bioethik, gab Jiri Simek vom Prager Institut für Medizinethik zu bedenken. Koordination Eine Koordination aller europäischer Staaten in Sachen Bioethik sei dringend notwendig, betonte Christoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer der deutschen Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages. Ansonsten würden Patienten, die in ihrem Heimatland keine Behandlung erhielten, versuchen, diese im benachbarten Ausland zu bekommen. "Dies gilt zum Beispiel für die Präimplantationsdiagnostik und die Abtreibung." Eine Lösung bietet nach Ansicht von Fuchs die Konvention des Europarats. Das Abkommen wurde bisher von 30 der 43 Europaratsländer unterzeichnet. Deutschland und Österreich haben bisher einen Beitritt abgelehnt, weil einige der Regelungen aus ihrer Sicht nicht streng genug sind. Sie hatten vergeblich ein umfassendes Verbot der Embryonenforschung und strengere Vorschriften für Forschung an "nicht-einwilligungsfähigen" Menschen, etwa Behinderten oder Koma-Patienten, gefordert. Ein Entwurf für ein Zusatzprotokoll zur Biomedizin-Konvention über biomedizinische Forschung wird derzeit von den Europaratsländern begutachtet. Er sieht Regelungen für die Forschung an Embryonen in vivo, aber nicht in vitro vor. (APA)