ÖGB beschließt Urabstimmungs-Fragen: Mitglieder sollen auch über Kampfmaßnahmen entscheiden - "In Verantwortung für die Zukunft des Landes"
Wien - ÖGB-Chef Fritz Verzetnitsch variiert eine alte Parole: "Alle Computer stehen
still, wenn ein flinkes Hirn das
will": Wenn es gegen die Forderungen der Gewerkschaft
künftig "eine hinhaltende
oder ablehnende Haltung"
gibt, dann werde es gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen geben. Welche, das lässt
sich Verzetnitsch offen, "es
macht keinen Sinn, ein Rezeptbuch vorzulegen" - und
sein christdemokratischer Vizepräsident Fritz Neugebauer
sekundiert: "Seien Sie sicher,
wir setzen ein geeignetes Instrumentarium ein." Ermächtigungsfrage
Dafür holt sich die Gewerkschaft vom 24. September an
die Zustimmung der Mitglieder, mit sechs einzeln zu beantwortenden Sachfragen und
der Ermächtigungsfrage: "Soll
der ÖGB zur Durchsetzung
seiner Forderungen in Verantwortung für die Zukunft
unseres Landes und seiner
Menschen notfalls auch gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen ergreifen?"
Wie viele der 1,442.393
Mitglieder den Stimmzettel
zurückschicken müssen und
wie viele Ja-Stimmen es dabei
geben müsste, das ließ das
ÖGB-Präsidium offen.
Die Abstimmung (sie kostet
30 Schilling pro Mitglied)
solle aber jedenfalls "ein klares Votum" erbringen, sagt der
Präsident.
In Forderungsform gekleidete Sachfragen
Und das sind die in Forderungsform gekleideten Sachfragen, die eine "umfassende
Diskussion" auslösen sollen:
Wir fordern, dass die österreichische Sozialpartnerschaft gestärkt wird. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
muss auf alle Bereiche der Arbeitswelt ausgeweitet werden.
Wir fordern die Beibehaltung der Pflichtversicherung,
damit auch in Zukunft alle -
unabhängig von ihrem Einkommen - auf die Gesundheits- und Pensionsversorgung vertrauen können.
Wir fordern, dass Lohnerhöhungen und Arbeitszeiten
weiterhin durch die Gewerkschaften in Kollektivverträgen
geregelt werden.
Wir fordern einen Anspruch auf Abfertigung ab
dem ersten Tag - auch bei
Selbstkündigung - mit freier
Verfügbarkeit durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Wir fordern eine schulische
und berufliche Bildungsoffensive, um die Zukunftschancen
aller zu verbessern. Ziel ist:
ein offener Bildungszugang
ohne soziale Barrieren.
Wir fordern die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Dienste und den Stopp des unwiderruflichen Ausverkaufs öffentlichen Eigentums (z.B. Betriebe, Strom, Wasser, Wälder), um unsere Grundversorgung zu sichern.
Kommunikationsprobleme
Mit der Propagierung der
Urabstimmung versucht der
ÖGB, die Diskussion um die
Postgewerkschafter wegzubekommen und gleichzeitig von
den Kommunikationsproblemen der Vorwoche abzulenken. Zur Erinnerung: Eine
ganze Woche lang war der
ÖGB-Präsident für Stellungnahmen unerreichbar - und
als eine Diskussion um die Bezüge der Gewerkschaftsspitze
ausbrach, nannte seine Stellvertreterin Renate Csörgits einen zu niedrigen Nettobezug.
"Im Moment schlecht reagiert"
"Ich habe ja gesagt: in etwa"
- so versuchte Csörgits zu erklären, warum das Gehalt, das
sie am Freitag offen gelegt hatte, um nicht unerhebliche
17.000 Schilling netto niedriger war als das Einkommen,
das sie am Montag als ihres erklärte. Dass es nicht rasend
geschickt war, sich um einen
derartigen Betrag zu irren, gestand sie am Dienstag im
_Standard
-Gespräch ein: "Das
war im Moment schlecht reagiert von mir."
Bei der Post soll es nun eine
Rechnungshof-Prüfung geben, sie wird ein halbes Jahr
dauern. (cs, eli, DER STANDARD,Print-Ausgabe vom 29.8.2001)
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