Die Karikatur von Petar Pismestrovic in der Grazer Kleinen Zeitung könnte plakativer nicht sein: Post-Generaldirektor Wais überreicht seinem Briefträger die Kündigung und dem "Betriebskaiser" einen Karton mit Geldbündeln und der Aufschrift "Supergagen". Da ist es nicht verwunderlich, wenn in der Bevölkerung Wogen der Empörung hochgehen - und zugleich jene politischen Kräfte, für die Betriebsdemokratie und gewerkschaftliche Mitbestimmung an sich ein Ärgernis sind, zum großen Fressen anrichten. Zumal sie selbst von Skandal zu Skandal taumeln und etwa 200.000 S monatlich für "hoch qualifizierte" (O-Ton Minister Haupt) Kabinettschefinnen bezahlen. Politisches Kalkül Noch dazu steht eine Urabstimmung vor der Tür. Sich allein auf die Personalvertreter vor Ort einzuschießen lohnt daher nicht wirklich. Die Spitzen der Gewerkschaften müssen wanken, wenn nicht gar fallen. Nüchternheit und Sachlichkeit in der Diskussion können diesem Ziel nur schaden. Sachlich wäre es etwa, sich zu fragen, worin denn konkret die Verantwortung der Gewerkschaft an der mit Recht kritisierten Gagenerhöhung der Post-Personalvertreter besteht. Die Entgeltregelung für Belegschaftsvertreter ist Sache des Unternehmens und schlussendlich von der Geschäftsführung und der Personalvertretung zu verantworten. Letztere sind Körperschaften öffentlichen Rechts, auf die der ÖGB kein Durchgriffsrecht hat. Schließlich gibt es ja auch Personalvertreter, die keine ÖGB-Funktionäre, ja nicht einmal Mitglieder sind, wie gerade der FPÖ bekannt sein dürfte. Die Verantwortung der Gewerkschaften kann allein darin bestehen, informellen Druck auf Personalvertreter auszuüben, die gegen gewerkschaftliche Grundsätze verstoßen. Faktum ist: In ihren Stellungnahmen haben sich Spitzenvertreter des ÖGB vom Gehaltsmodell der Post klar distanziert. Über Schritte gegen die betroffenen Personalvertreter, die gleichzeitig Funktionen im ÖGB ausüben, wird in den dafür vorgesehenen Gremien beraten. Der Vorsitzende der Belegschaftsvertretung ist ohnehin von selbst zurückgetreten. Allenfalls kann man dem ÖGB mangelnde Professionalität im Krisenmanagement vorwerfen, nicht aber, dass er sich seiner Verantwortung entzogen hätte. Im Übrigen müsste man an das Schweigen eines Spitzenfunktionärs zu heiklen Problemen in diesem Land bereits gewöhnt sein. Bundeskanzler Schlüssel schweigt auch dann, wenn er nicht auf Urlaub ist. Ein Gedankenspiel: Sollten die derzeit bestehenden Gehaltsregelungen für die Post-Personalvertreter die rechtliche Prüfung und auch die Kontrolle des Rechnungshofs überstehen und die Betriebspartner - wider Erwarten - weiterhin daran festhalten, wird das Modell umgesetzt. Daran kann auch der ÖGB nichts ändern, wie sehr man sich auch immer bemühen mag, ihm - trotz klarer Distanzierung - den "schwarzen Peter" zuzuschieben. Postgeheimnis Welcher Dämon die Personalvertreter geritten hat, insgesamt auf 30 Millionen Schilling Gehaltssumme pro Jahr zu verzichten, dafür aber die Einkommen ihrer Spitzenfunktionäre zulasten der Kleinen aufzufetten, wird wohl Postgeheimnis bleiben. Ebenso der seltsame Umstand, dass das Gros der Personalvertreter der Reduktion des eigenen Entgelts zugestimmt hat. Davon, dass der Maßnahme ein gültiger Beschluss der Belegschaftsvertretung zugrunde liegt, ist auszugehen. Die schiefe Optik verdeckt allerdings den Blick auf die Tatsache, dass das Modell der Post durchaus diskutable Ansätze bietet: Die Arbeitsverfassung sichert Belegschaftsvertretern während ihrer Freistellung das Entgelt. Die Berechnung dieser Entschädigung ist jedoch schwierig, weil ihr fiktive Karriereverläufe zugrunde zu legen sind: Wer kann schon einschätzen, ob der Hilfsmeister den Sprung zum Meister, allenfalls auch zum Obermeister oder Betriebsleiter geschafft hätte, hätte er nicht seine Arbeitskraft als freigestellter Belegschaftsvertreter dem betrieblichen Interessenausgleich gewidmet? Enorme unternehmens- und personenbezogene Unterschiede bei der Bezahlung von Betriebsräten sind die Folge. In diesem Lichte ist der Versuch der Post, die Belegschaftsvertreter in einer Abteilung zusammenzufassen, um damit ein halbwegs transparentes Entlohnungssystem zu schaffen, nicht unverständlich. Den Kritikern geht es aber offenkundig um "Grundsätzlicheres" - siehe Jens Tschebulls Anregung im Wirtschaftsblatt, Belegschaftsvertreter zu "karenzieren" und das "Karenzgeld" aus der Gewerkschaftskasse zu begleichen. Sprich: Die bisher vom Unternehmen getragenen Kosten für den notwendigen betrieblichen Interessenausgleich auf die Arbeitnehmer/ innen umzuwälzen. Mit dem noch weniger zu vertretenden Effekt, dass nur Gewerkschaftsmitglieder die Kosten der Personalvertretung zu tragen hätten. Zuletzt noch eine Anmerkung zur vielfach geforderten Kontrolle des Rechnungshofs - nicht für die Personalvertretungen (was noch argumentierbar wäre), sondern für den ÖGB: Die Gewerkschaft ist ein Verein, eine "regierungsferne Organisation" (NGO), und gerade darin liegt ihr Wert für die pluralistische Demokratie. NGOs formulieren Interessen unabhängig von der Staatsmacht. Sie sind neben den allgemeinen Gesetzen nur ihren Trägern, im Fall des ÖGB ihren Mitgliedern verpflichtet. Dies schließt Kontrolle durch ein Instrument der staatlichen Willensbildung aus. In den verfassungsgeschützten Winkeln der Vereinsfreiheit hat der Lappen der "Putzfrau" Riess-Passer (Minister Fasslabend) nichts verloren. oppelmühle Der regierungskritische ÖGB in der Doppelmühle zwischen Konflikt- und Konsensdemokratie: Jene Kräfte, die die Gewerkschaften aus der staatlich institutionalisierten Willensbildung drängen, fordern gleichzeitig ihre Unterwerfung unter die staatliche Kontrolle. Im Übrigen wären die Gewerkschaften in einer Konfliktdemokratie angesichts eines derart arbeitnehmerlastigen Programms, wie es die Regierung derzeit propagiert, schon seit Monaten auf der Straße. In Österreich dagegen hält man nach Jahren des Kuschelns in der Sozialpartnerschaft bereits das Andenken einer Mitgliederbefragung für geeignet, "die Republik zu destabilisieren". Mit dem Ziel, auch den zartesten Keim einer pluralistischen Auseinandersetzung im trüben Sud der pauschalen Denunziation zu ersticken. Werner Anzenberger ist Leitender Sekretär der Arbeiterkammer Steiermark. (DER STANDARD,Print-Ausgabe vom 29.8.2001)