Berlin - "Das Buch ist vielleicht ein Baustein, um aus der ungezügelten Globalisierung eine Globalisierung mit menschlichem Antlitz zu machen." Das sagte einer der beiden Autoren des Buches "Schwarzbuch Markenfirmen - Die Machenschaften der Weltkonzerne", Hans Weiss, am Dienstag Abend in Berlin bei der Vorstellung des Werkes. Gemeinsam mit einem zweiten Wissenschaftsjournalisten, Klaus Werner, hat er 50 internationale Markenfirmen auf ihre Produktionsmethoden hin untersucht. Ernüchterndes Ergebnis Das Ergebnis ist ernüchternd: Alle stellen sie selbst oder über Subunternehmer ihre Ware meist in Ländern der Dritten Welt her, indem entweder die Umwelt ruiniert wird, Menschenrechte missachtet werden, Kinderarbeit an der Tagesordnung steht oder sonst unzumutbare Arbeitsbedingungen herrschen. Den beiden aus Österreich stammenden Autoren kam bei ihren Recherchen die Erfahrung mit früheren von ihnen verfassten Büchern zugute: Hans Weiss schrieb vor zehn Jahren "Gesunde Geschäfte - Die Praktiken der Pharma-Industrie", von Klaus Werner erschien im vorigen Jahr "Prost Mahlzeit! - Essen und Trinken mit gutem Gewissen". In ihrem gemeinsamen Buch stellen die zwei Autoren die Sünden der Multis nach Branchen gegliedert vor: Klaus Werner gab sich im Internet als Rohstoffhändler aus und bekam auf diese Weise heraus, dass der Bayer-Konzern im Bürgerkriegsland Kongo ohne Skrupel mit den Rebellen Geschäfte macht, um an das in der Handy-Erzeugung begehrte Metall Tantalum heranzukommen. In Nigeria macht sich laut Werner der Ölkonzern Shell der Umweltverwüstung schuldig. Über die Machthaber des Landes schirmt sich der Multi vor Protesten ab. Einer der heftigsten Shell-Gegner in Nigeria, der Schriftsteller Ken Saro Wiwa, war vor sechs Jahren hingerichtet worden. Experimente im Osten Auch Hans Weiss hat sich über das Internet eine andere Identität zugelegt, um üblen Machenschaften auf die Spur zu kommen. Seit 15 Jahren sei zu bemerken, dass Pharmafirmen ihre Medikamentenversuche zunehmend aus Europa und den USA in den Osten auslagerten, sagt er. Das geschehe aus Kostengründen und wegen der geringeren Kontrollen in diesen Ländern. So kam etwa Weiss als "Pharma-Consultant" relativ problemlos mit ungarischen Klinikchefs in Kontakt, die bereitwilligst Patienten für fragwürdige Versuche zur Verfügung stellen wollten. "In Deutschland sterben jährlich 10.000 Menschen im Straßenverkehr, aber geschätzt zwischen 16.000 und 25.000 an Nebenwirkungen von Medikamenten", sagt Autor Weiss. Ob es McDonalds ist, der Spielzeug in Kinderarbeit herstellen lässt, die Textilfirma Triumph, die mit dem Militärregime in Myanmar, vormals Burma, zusammenarbeitet, der Konzern Nestle, der eifrig Milchpulver in Ländern mit verschmutztem Trinkwasser bewirbt oder die Turnschuhhersteller Nike und Reebok, die ihre Produkte unter unwürdigen Arbeitsbedingungen in Mittelamerika oder Asien herstellen lassen, wo die einzelne Arbeiterin lediglich 0,4 Prozent des Warenwertes eines Schuhs als Lohn erhält. Macht der Konsumenten Im zweiten Teil des Buches werden die 50 Firmen und ihre Verstöße auf jeweils einer Doppelseite vorgestellt, stets mit Vermerk, was man als Konsument tun kann, um die Konzerne zum Umdenken zu veranlassen. Nicht immer sei Boykott eine sinnvolle Maßnahme, warnen die zwei Autoren. Dann würden nämlich die Firmen zur Produktion in ein anderes Land abwandern und die Arbeiter stünden auf der Straße. "Vermutlich ist Protest das beste Mittel", sagt Klaus Werner, "Der Druck der Konsumenten wird sehr wohl in den Vorstandsetagen wahrgenommen." Es ginge in erster Linie um die Zahlung fairer Löhne und unabhängige internationale Kontrolle der Produktion. Einziger Mangel des Buches ist sein Auswahl-Charakter, untersucht wurden nur die 50 im deutschen Sprachraum bekanntesten Firmen, der Konsument bleibt verunsichert, ob die nicht Genannten nun "gut" oder "böse" sind. Die Liste der Bösen dürfte allerdings eine lange sein. (APA)