Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) steht unter großem Erwartungsdruck. Wirtschaft, Banken und zahlreiche Forschungsinstitute erhoffen sich angesichts der sehr schwachen Konjunkturentwicklung von der EZB eine rasche Leitzinssenkung. Die wieder rückläufige Inflation in den zwölf Euro-Ländern mache einen Zinsschritt schon auf der Ratssitzung an diesem Donnerstag möglich, wird am Bankenplatz Frankfurt argumentiert. Zuletzt hatte die EZB ihren wichtigsten Leitzins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Geld am 10. Mai um 0,25 Punkte auf 4,50 Prozent gesenkt. Bundesbank-Präsident Ernst Welteke hat dagegen vor zu hohen Erwartungen an die Möglichkeiten der Geldpolitik zur Ankurbelung der Konjunktur gewarnt. Diese würden "offenbar überschätzt", sagte das deutsche Mitglied im EZB-Rat am Mittwoch in Frankfurt. Welteke wies darauf hin, dass sich eine Senkung oder Erhöhung der Leitzinsen erst mit großer Zeitverzögerung in der Realwirtschaft niederschlage. Die EZB habe nicht den Auftrag, "die Konjunktur zu steuern". Oberstes Ziel sei die Wahrung der Preisstabilität. Welteke besorgt über die schwache Konjunkturentwicklung Die jüngste positive Entwicklung an der Preisfront mache deutlich, dass die EZB ihren Inflationszielen von maximal 2,0 Prozent jährlicher Teuerung wieder nahe komme. Welteke zeigte sich aber besorgt über die schwache Konjunkturentwicklung. Mit einer Belebung des Wachstums sei frühestens Ende 2001 zu rechnen. In der wichtigsten Volkswirtschaft USA gebe es noch "keine verlässlichen Hinweise, dass die Konjunktur wieder Fahrt aufnimmt". Für den Euroraum sei daher entscheidend, dass sich der private Konsum weiter positiv entwickle. Die EZB-Führung selbst hat in ihrer August-Pause die Tür für eine Zinssenkung aufgestoßen. Auffällig deutlich betonte die Notenbank in ihrem Monatsbericht den rückläufigen Anstieg der Verbraucherpreise. Die stets geäußerte Sorge über zu hohe Abschlüsse bei anstehenden Lohnrunden, wodurch die Preisstabilität unterminiert werden könnte, tauchte nicht mehr auf. Die EZB ist nun optimistisch, dass moderate Tarifabschlüsse den nachlassenden Inflationsdruck stützen dürften. Zugleich räumt sie ein, die Wirtschaft in Euroland entwickle sich viel schwächer als erwartet. Dies wurde von Volkswirten als erste "Vorbereitung" der Märkte auf eine Zinssenkung interpretiert. (APA/dpa)