Bern - In acht Studien zeigt die Bergier-Kommission die enge Zusammenarbeit der Schweizer Wirtschaft mit Nazideutschland auf: Industrie, Handel, Stromunternehmen und Bahnen leisteten einen Beitrag an die Kriegswirtschaft der Achsenmächte. Diese Kooperation war aber nicht bedingungs- oder grenzenlos, wie aus den in Bern vorgelegten Forschungsarbeiten hervorgeht. Die politischen und wirtschaftlichen Akteure hatten in erster Linie das Wohl der eigenen Unternehmen, respektive der Schweizer Landesversorgung, im Auge. Die meisten Maschinen-, Chemie- und Elektrounternehmen bauten ihre traditionell guten Beziehungen zu Deutschland zur Nazizeit aus. Sie trugen damit zur Erholung der deutschen Wirtschaft bei und stützten das Nazi-System, heisst es in der Studie über die Industrieunternehmen. Über die Beschäftigung von Zwangsarbeitern in deutschen Filialen zeigten sich die Direktionen wenig beunruhigt. Die Unternehmen folgten zwar der Nazi-Rassenpolitik, indem sie die jüdischen Entscheidungsträger in deutschen Filialen durch "Arier" ersetzten. Allerdings gab es in der Politik der einzelnen Unternehmen durchaus Nuancen, wie die Studie über die Chemieunternehmen festhält. Stromlieferungen und Bahntransit Eine besondere Stellung nahm die Finanzholding IG Chemie, später Interhandel, ein, eine einstige Tochter des deutschen Chemieriesen IG Farben und seit 1967 Teil der UBS. Die Interhandel-Studie fand zwar viele Hinweise auf eine enge Beziehung zwischen der Firma und dem Nazi-Konzern bis in die Kriegsjahre hinein, aber keine Beweise dafür, dass die Interhandel nach der offiziellen Trennung von IG Farben 1940 von dieser weiterhin kontrolliert und als Tarnfirma eingesetzt worden wäre. Stromlieferungen und Bahntransit waren wichtige Leistungen der Schweiz ans Dritte Reich. Sie trugen dazu bei, dass Deutschland von einem Wirtschaftskrieg gegen die Schweiz absah. Die Schweizer Bundesbahnen verdienten gut an den Warentransporten, schreibt die Studie über den Bahntransit. Dagegen konnte sie keine Hinweise für einen Transit von KZ- oder Zwangsarbeiter-Zügen durch die Schweiz finden. Staatlich reguliertes Verrechnungsverfahren Im Krieg lieferte die Schweiz jährlich rund eine Milliarde Kilowattstunden Strom an Deutschland - als Gegenleistung für deutsche Kohlelieferungen. Allerdings weigerte sie sich, das Exportvolumen trotz wachsender deutscher Nachfrage zu erhöhen. Es wäre verfehlt, von einem "Energie-Anschluss" zu sprechen, urteilt die Studie über die Stromwirtschaft. Der Grossteil des bilateralen Warenverkehrs zwischen der Schweiz und den Achsenmächten wurde über ein staatlich reguliertes Verrechnungsverfahren, das sogenannte Clearing-System, abgewickelt. Dabei gewährte die Schweiz Deutschland im Kriege Clearing-Kredite von 1,3 Mrd. Franken. Die Kredite waren zum Ankauf von militärischen und zivilen Gütern bestimmt. Sie erleichterten den Schweizer Unternehmen die Ausfuhren, dienten aber auch der Kriegsfinanzierung der Achsenmächte - ein neutralitätspolitisch fragwürdiges Unterfangen, wie die Clearing-Studie urteilt. Kaum Kritik Die Schweiz war zur Nazizeit auch Umschlagplatz für den Handel mit Kulturgütern aus dem Nazi-Herrschaftsbereich. Die Studie "Fluchtgut - Raubgut" stellt dabei fest, dass mehr Fluchtgut (das von seinen Besitzern vor den Nazis ins Ausland gerettet wurde) in die Schweiz gelangte als Raubgut. Die Schweizer Medien betrachteten damals die Handlungsweise der Wirtschaft unter dem Gesichtspunkt der sicheren Landesversorgung. Kritik an den engen wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem Dritten Reich war selten, wie eine Untersuchung in acht deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Blättern aufzeigt. (APA/sda)