New York - Dreißig Familien aus Nigeria haben laut New York Times eine Klage gegen Pfizer eingebracht: Die Pharmafirma habe das 1996 in Nigeria herrschende Chaos ausgenutzt, um ein Medikament an Kindern zu testen - ohne Wissen und Zustimmung der Eltern: Elf Kinder starben, andere erlitten Gehirnschäden. Damit kommt erstmals der "Pharma-Kolonialismus" vor Gericht: Medikamententests werden zunehmend in Entwicklungsländer ausgelagert, weil es im reichen Norden nicht genügend Testpersonen gibt und Versuchsreihen in der Dritten Welt billiger sind. Das kann für beide Seiten von Vorteil sein: Patienten in den Armenhäusern der Erde erhalten durch die Tests oft überhaupt erst Zugang zu medizinischer Versorgung. 1996 in Nigeria war das anders. Dort grassierte eine bakterielle Hirnhautentzündung, aber die "Ärzte ohne Grenzen" waren schon mit einem bewährten Medikament zu Hilfe geeilt. Dann kam Pfizer - in einer zweiwöchigen Blitzaktion - mit zwei Pharmaprodukten. Eines war bewährt, das andere das Antibiotikum Trovan, der Hoffnungsträger der Firma: Wall-Street-Analysten hatten einen Jahresumsatz von einer Milliarde US-Dollar (1,1 Mrd. Euro) prognostiziert, aber für die US-Zulassung fehlte noch eine Studie an Kindern. Pfizer rekrutierte in Nigeria 200 kranke Kinder, behandelte eine Hälfte mit Trovan, die andere mit dem alten Medikament - aber in geringen Dosen. Elf Kinder starben. Vielleicht wären sie ohnehin ums Leben gekommen, aber rasch kam die Kritik, eine Epidemie nutze man nicht für klinische Tests. Einer der "Ärzte ohne Grenzen" sprach gegenüber der Washington Post gar von "Mord". Pfizer verteidigte sich mit dem Hinweis, ohne die Medikamente wären viel mehr Kinder gestorben, und man habe den Test aus Philanthropie eigens für den Einsatz von Trovan in Afrika durchgeführt. Zu der jetzigen Klage hat die Firma noch nicht Stellung bezogen, da ihr die in der New York Times zitierte Klageschrift nicht vorliegt. Das Antibiotikum wurde Ende 1996 in den USA zugelassen und entwickelte sich zum Renner. Aber bald zeigten sich Nebenwirkungen. Trovan darf deshalb heute nur sehr eingeschränkt verabreicht werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.8.2001, jl)