Wenn man jemanden vom Verhandlungstisch wegdrängt, darf man sich nicht wundern, dass er seinen Protest auf andere Art artikuliert. Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl und der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll, beides Politiker, die kaum ins verdächtig gemachte "linke" Eck gestellt werden können, haben im Zusammenhang mit der öffentlichen Mobbingkampagne gegen den früheren Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Hans Sallmutter, immer wieder vor einer Verschärfung des politischen Klimas gewarnt. Sie haben früh erkannt, dass dies der erste Schritt zu der von vielen herbeigesehnten Konfliktdemokratie ist.

Leitl und Pröll wurden wegen ihrer Aussagen noch vor wenigen Wochen nicht zuletzt in den eigenen Reihen als Steinzeitpolitiker gebrandmarkt, die nichts anderes im Sinn hätten, als die Verteidigung der Sozialpartnerschaft. Diese wird von vielen mit Pfründewesen gleichgesetzt. Da ist sicherlich etwas dran, und sowohl die institutionalisierten Vertreter der Arbeitgeber als auch jene der Arbeitnehmer sind keineswegs unschuldig an diesem Ruf. Jahrelang haben sie sich dem Reformbedarf verweigert.

Das gilt besonders für die Gewerkschaft, die sich mit den Jahren immer mehr zu einer starren Funktionärsorganisation entwickelt hat. Die Namen Dörfler, Wiedner & Co. stehen nur stellvertretend für jene Nehmerqualität, die schon in den 80er-Jahren am Beispiel des steirischen Arbeiterkammerpräsidenten Alois Rechberger sichtbar wurde. Klarerweise werden derartige Verfehlungen aufseiten der Arbeitnehmervertreter doppelt ausgeschlachtet, obwohl auch die Nehmerqualitäten in den Reihen der Wirtschaftsvertreter nicht gerade gering ausgeprägt sind, wie der Fall Günter Stummvoll zeigt.

Das alles bedarf dringend einer Korrektur. Wobei es nicht nur um transparente Gagen geht, sondern vielmehr um ein neues Selbstverständnis der Interessenvertreter. Vielleicht liegt es darin, sich auf die einstigen Ziele rückzubesinnen. Danach ist die Sozialpartnerschaft nichts anderes als Verteilungskampf, altmodisch formuliert also Klassenkampf, der allerdings am grünen Tisch ausgetragen wird. Sie hat bei all ihren Mängeln auch dazu beigetragen, dass die Geschichte der Zweiten Republik zu einer unvergleichlichen Erfolgsgeschichte wurde. Im Ausland ist man eher geneigt, diese anzuerkennen. Auf europäischer Ebene versucht man seit geraumer Zeit, Social Partnership zu installieren.

Umso eigenartiger berührt, dass im Erfindungsland der Sozialpartnerschaft diese gerade am Zerbrechen ist. Das nicht erst, seit die FPÖ die Gewerkschaften als "nicht mehr zeitgemäß in ihrer jetzigen Form" empfindet und der Gewerkschaftsbundpräsident darauf mit dem Vokabel "Diktatur" antwortet. De facto ist der Bruch mit der Sozialpartnerschaft nämlich im Regierungsprogramm angelegt. Schon hier finden sich jene Passagen, in denen von der Verlagerung der Sozialpartnerschaft mit ihrem Kern, der Kollektivvertragshoheit, auf die Betriebsebene die Rede ist. Und es mag Zufall oder nicht sein: Ausgerechnet der weggemobbte Hans Sallmutter war es, der schon im März 2000 davor gewarnt hat.

Die nunmehr für viele erschreckende Entwicklung ist daher keineswegs eine zufällige, sondern eine gemachte beziehungsweise gewollte. Seit Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung ist die Schwächung der Sozialpartnerschaft und hier natürlich in erster Linie jene der Arbeitnehmervertretung ein Ziel, das konsequent angestrebt wird. Es wäre paradox anzunehmen, dass rechte Regierungen keine rechte Politik machen. Dazu zählt auch die Schwächung der Arbeitnehmervertretungen.

Das gilt nicht nur für die FPÖ, sondern auch für die ÖVP, selbst wenn in den Reihen der Christdemokraten jene mehr werden, die vor einer Eskalierung warnen. Sie wiegen noch nicht die Stimmen auf, die so gerne das Ende der Konsens- und den Beginn der Konfliktdemokratie feiern. (DerStandard,Print-Ausgabe,10.9.2001)