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Wien - Ministerpräsident Lipponen äußerte großes Verständnis für den Wunsch Österreichs nach maximaler Sicherheit des tschechischen Atomkraftwerkes Temelin. Im Rahmen eines eintägigen offiziellen Österreich-Besuches bot der Sozialdemokrat die Mitarbeit finnischer Experten an, die Erfahrung mit der Kombination ex-sowjetischer Nukleartechnologie und westlicher Sicherheitstechnologien hätten. Zugleich betonte er aber auch das Recht der osteuropäischen Staaten, über ihre Energiepolitik selbst zu entscheiden. Lipponen unterstrich allerdings, es sei sachlich nicht richtig, Temelin mit dem ukrainischen Unglücksreaktor Tschernobyl zu vergleichen und als Schrottreaktor zu bezeichnen. Grundsätzlich wandte er sich gegen den Versuch, europäischen Staaten ihre Energiepolitik zu diktieren und warnte in diesem Zusammenhang vor "energiepolitischem Imperialismus". "Ein Land kann nicht über die Energiepolitik eines anderen Landes entscheiden. Das wäre ein Diktat", betonte der finnische Ministerpräsident, der in Sachen Temel`in für eine "sachliche und rationale Diskussion" eintrat. Bei der EU-Erweiterung warnte Lipponen davor, jene Kandidatenstaaten, die die Aufnahmekriterien in die EU erfüllten, zu enttäuschen. Frankreichs Präsident Jacques Chirac beispielsweise habe Polen den EU-Beitritt für das Jahr 2000 versprochen. Die EU habe Kriterien vorgegeben. Wer die Aufnahmekriterien erfülle, solle beitreten. Die Aufnahme der baltischen Staaten in die EU werde die Stabilität im Ostseeraum "beträchtlich erhöhen", begründete Lipponen das Interesse Finnlands an einem raschen EU-Beitritt der baltischen Nachbarn. Die Mehrheit der Finnen unterstütze diese Politik, doch seien selbstverständlich noch viele offene Fragen zu klären, sagte Lipponen nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Die EU-Erweiterung und andere aktuelle Fragen der Europapolitik standen am Montag im Mittelpunkt eines Gesprächs zwischen Bundespräsident Thomas Klestil und dem finnischen Ministerpräsidenten in der Hofburg. An dem Arbeitsgespräch Lipponens mit Schüssel nahm neben Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) auch Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) teil. Auf die Frage, warum er im Gegensatz zum sozialdemokratischen deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder kein Problem habe, FPÖ-Politiker zu treffen, antwortete Lipponen: "Erstens ist das Sache des Gastgebers Wolfgang Schüssel, die Zusammensetzung der österreichischen Delegation war seine Sache. Und zweites ergibt es sich aus der politischen Agenda. Diese Minister sind auch in den europäischen Räten vertreten." Auf die Frage des STANDARD, ob er auch Jörg Haider treffen würde, antwortete Lipponen lächelnd: "Nein, vielleicht nicht". Aber parteipolitische Treffen stünden ja derzeit nicht zur Debatte. (plo/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. September 2001)