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New York/Washington/Wien - Die Supermacht USA ist am Dienstag von den schrecklichsten Anschlägen in der Geschichte des internationalen Terrorismus in ihren Grundfesten erschüttert worden. Die mit großer Präzision ausgeführten Selbstmordangriffe auf Macht- und Finanzzentren in New York und Washington kosteten Tausende von Menschenleben. Als Urheber vermuten die Geheimdienste nach Angaben eines ranghohen US-Senators den saudischen Millionär und mutmaßlichen Terroristenführer Osama bin Laden. Es war der schwerste Angriff auf das US-Festland in der Geschichte. Mit zwei in den USA entführten Passagierflugzeugen brachten mehrere Selbstmordattentäter das berühmte New Yorker World Trade Center zum Einsturz. In Washington wurden das Verteidigungsministerium mit einem weiteren Flugzeug teilweise zerstört, das Außenministerium mit einer Autobombe angegriffen. Eine vierte entführte Maschine stürzte bei Pittsburgh ab. Die Fluggesellschaft American Airlines teilte mit, zwei ihrer Maschinen mit insgesamt 156 Insassen seien verunglückt. Weltweit Entsetzen und verschärfte Sicherheitsvorkehrungen Der Senator von Utah, Orrin Hatch, berichtete nach Gesprächen mit dem FBI und Vertretern der Geheimdienste von deren Verdacht gegen bin Laden. US-Präsident George W. Bush sprach von einer "nationalen Tragödie" und versprach später in einer Fernsehrede: "Wir werden die Täter zur Strecke bringen und bestrafen." Zunächst rasten am Morgen (Ortszeit) innerhalb von 18 Minuten zwei Flugzeuge ins World Trade Center in New York. Das Symbol der Finanzmacht USA an der Südspitze Manhattans mit den beiden 110 Stockwerke hohen Zwillingstürmen ging in Rauch und Flammen auf und stürzten etwa eine Stunde später in sich zusammen. Die Behörden in New York rechneten mit Tausenden von Toten. In Washington zerstörte eine weitere abstürzende Maschine teilweise das US-Verteidigungsministerium (Pentagon). Kurz nach den Anschlägen in New York und Washington überschlugen sich die Ereignisse. Die Lage in beiden Städten war völlig chaotisch. Im amerikanischen Verteidigungsministerium brach Feuer aus. Das Parlamentsgebäude auf dem Kapitol und das Weiße Haus wurden ebenso evakuiert wie das UNO-Gebäude in New York. Die Börse in der Wall Street und alle Flughäfen in den USA geschlossen. Die Zwillingstürme des World Trade Center, in denen täglich 40.000 Menschen arbeiten, gingen nach den schweren Explosionen in Flammen auf. Hunderte Menschen flohen in Panik aus dem Gebäude. Rund eine Stunde nach den ersten beiden Angriffen auf die Zwillingstürme, die das zweithöchste Gebäude der Welt bildeten, ereignete sich im südlichen Turm eine weitere schwere Explosion. Daraufhin stürzte der obere Teil des 411 Meter hohen Gebäudes ein. Nur wenig später fiel auch der zweite Turm in sich zusammen. Die Staubwolke hüllte ganz Manhattan in Rauch. "Wir werden vermutlich eine horrende Zahl an Opfern haben", sagte Bürgermeister Rudolph Giuliani. Unmittelbar nach dem Aufprall der ersten Maschine waren die Gebäude so weit wie möglich evakuiert worden. Finanzmärkte im Chaos Die Finanzmärkte rund um den Globus wurden durch die Nachrichten aus den USA ins Chaos gestürzt. Die Börsen an der New Yorker Wall Street und die Rohstoff- und Terminmärkte in Chicago blieben geschlossen. An zahlreichen europäischen Börsenplätzen wurde der Handel vorübergehend unterbrochen. Der Euro stieg steil auf über 0,90 US-Cents, der Öl-Preis sprang nach den Terroranschlägen auf mehr als 31 US-Dollar pro Barrel. Der Goldpreis kletterte in den ersten Minuten nach den Explosionen im World Trade Center von zuvor 271,7 US-Dollar auf einen Tageshöchststand pro Feinunze von 285,15 US-Dollar. Weltweit wurde der Flugverkehr teilweise eingestellt. Zwei radikale Palästinensergruppen bestritten jede Beteiligung an den Terrorakten. Der Chef der "Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas", Kari Abdel Karim, erklärte in Ramallah, die DFLP habe mit dem Attentat "absolut nichts zu tun". Auch ein hochrangiger Vertreter der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) erklärte im arabischen Nachrichtensender ANN, seine Organisation stehe nicht hinter den Terrorakten. "Bin Laden kann dieses Werk nicht verrichten, und wir auch nicht" Die afghanischen radikalislamischen Taliban, die angeblich bin Laden beherbergen, schlossen ebenfalls eine Beteiligung kategorisch aus und bestritten jeden Kontakt mit dem angeblichen Terroristenchef. "Was in den USA geschehen ist, ist nicht das Werk einfacher Bürger. Osama bin Laden kann dieses Werk nicht verrichten, und wir auch nicht", sagte ein Sprecher der Bewegung in Kabul. Zahlreiche Palästinenser in den Flüchtlingscamps im Südlibanon und in Beirut feierten die Terrorserie und feuerten Freudenschüsse in die Luft. Palästinenserpräsident Yasser Arafat verurteilte die Anschläge hingegen ebenso "auf das Schärfste" wie Vertreter der EU, Frankreichs, Großbritanniens, Russlands und vieler anderer Staaten. Die Serie von Terroranschlägen in den USA sorgte auch in Österreich für einen Schock. Die Regierungsspitze und Bundespräsident Thomas Klestil drückten in Telegrammen an US-Präsident Georg W. Bush ihre "tief empfundene Anteilnahme" aus. Klestil zeigte sich "erschüttert", Bundeskanzler Wolfgang Schüssel bezeichnete die Anschläge als "grauenhaft". (APA/Reuters)