Tallinn - Arnold Rüütel ist Freitag Abend zum neuen estnischen Präsidenten gewählt worden. Der 73-Jährige erhielt als Kandidat der Opposition beim entscheidenden fünften Wahlgang in der Hauptstadt Tallinn 186 Stimmen. Damit erzielte Rüütel (Bürgerpartei) die notwendige absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen im 367- sitzigen Wahlmännergremium. Für den Gegenkandidaten der Regierungskoalition, Toomas Savi, (Reformpartei) votierten nur 155 der Wahlmänner und -frauen, bei 25 Enthaltungen. Beobachter werteten die Entscheidung als überraschend. Rüütel wiederholte nach seinem Wahlsieg vor Journalisten seine Forderung nach einer Stärkung der ländlichen Gegenden in Estland. Rüütels Bürgerpartei hat dort besonders großen Zuspruch. Der ehemalige Kommunist hatte im Wahlkampf angekündigt, in der Außenpolitik den Kurs der Westintegration fortzuführen, den der am 7. Oktober scheidende Präsident Lennart Meri seit 1992 geprägt hat. Integration in die Europäische Union (EU) und NATO bleiben demnach die außenpolitischen Prioritäten des baltischen Staats. Rüütel hatte sich 1996 bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Estland ohne Erfolg beworben. Er war der letzte kommunistische Parteiführer in der ehemaligen Sowjetrepublik Estland. Im baltischen Unabhängigkeitskampf 1990 wechselte Rüütel in das Lager der so genannten "kommunistischen Patrioten" und trat für eine Loslösung von Moskau ein. In einer Übergangsphase bis 1992 führte er im gerade unabhängig gewordenen Estland als Parlamentspräsident bereits einmal die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts. Rüütels Amtseinführung ist für den 8. Oktober geplant. Der bisherige Staatspräsident Lennart Meri schied nach zwei Amtszeiten aus. Die Verfassung lässt keine dritte Amtszeit zu. Die Nachfolge des populären Meri erwies sich als schwierig. Im Parlament kam im vergangenen Monat keine Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Kandidaten zusammen, woraufhin ein Wahlmännergremium angerufen wurde. Ihm gehörten 101 Parlamentarier und 266 Delegierte von Kommunalverwaltungen an. Rüütel ist wegen seiner kommunistischen Vergangenheit eine umstritten Persönlichkeit in Estland. Er hat sich aber früh vom Kommunismus losgesagt und in den Unabhängigkeitsbestrebungen von Moskau eine führende Rolle gespielt. Beliebt ist er vor allem in ländlichen Gebieten; viele Esten halten ihn für ehrlich und nicht anfällig für Korruption. Der Staatspräsident ist in Estland Oberkommandant der Streitkräfte, arbeitet an der Regierungsbildung mit und vertritt das Land im Ausland. Die politischen Tagesaufgaben fallen dem Ministerpräsidenten zu. (APA)