"Apocalypse Now" auf der friedlichen Donau: Österreich – eine Offenbarung – hat eine Kriegsmarine. Jedes Jahr im Herbst schießen die Patrouillenboote "Niederösterreich" und "Oberst Brecht" an der Schlögener Schlinge in Oberösterreich scharf.
Schlögen – Der Nebel liegt schwer über der Donau. Kein Wind, Stille: Die Matrosen kauern hinter den Maschinengewehren, der Steuermann justiert das Radar, schweigend sucht Oberstleutnant Fritz Hegna mit dem Feldstecher den Strom ab. Nur die beiden Diesel grummeln im Maschinenraum mittschiffs. Langsam gleitet das Kanonenboot aus dem Hafen. Nur nicht zu schnell Fahrt aufnehmen, das könnte die Stege am Ufer zerreißen. Plötzlich: Wagner, der "Ritt der Walküren". Tatatataaa ta tatatataaa ta – "Hallo?! Ja, gut. Wir kommen", Hegna hängt das Handy wieder an seine Koppel und brüllt übers Deck: "Es geht los, wir schießen!"
"Apokalypse Now" in Oberösterreich. Die österreichische Kriegsmarine läuft aus dem Schlögener Hafen aus. Für die Patrouillenboote "Niederösterreich" und "Oberst Brecht" steht das Herbstschießen an. Wie jedes Jahr wird dabei mit scharfer Munition in einen Steinbruch an der Schlögener Schlinge gefeuert. Ein paar Journalisten sind mit an Bord. In Kriegszeiten zeigt das Bundesheer gern, was es kann.
"Die Amerikaner fahren mit ihren Flugzeugträgern in den Indischen Ozean, wir mit unseren Schiffernakeln halt auf der Donau", sagt Staffelkommandant Hegna. Minderwertigkeitskomplexe hat der hemdsärmelige Offizier deswegen keine. Im Gegenteil: Dieser Mann braucht keinen Nung River. Cowboyhut, Surfbrett oder lautsprecherbestückte Hubschrauber hat er nicht notwendig - eine lässig umgehängte Glock und das Handy genügen. So beschallt er die friedliche Donau mit dem Walküren-Klingelton. Und jederzeit würde man auch ihm einen "Apocalypse Now"-Film-Satz wie "Ich liebe den Geruch von Napalm am Morgen" abnehmen.
Das ganze Jahr über, jeden Tag rund um die Uhr ist die österreichische Kriegsmarine einsatzbereit. In Friedenszeiten assistieren die Boote der Schifffahrtspolizei bei der Sicherung der Grenze an March und Donau. Oder sie leisten in Not geratenen Schiffen technische Hilfe. Im Ernstfall lautet der Auftrag: "Die Aufgabe der Patrouillenboote ist, die militärische Präsenz auf der internationalen Wasserstraße Donau zu gewährleisten, die Interessen der Republik Österreich, notfalls mit Waffengewalt, durchzusetzen."
Motivierte "Buam"
Dafür üben Hegnas "Buam" in Oberösterreich. 20 Stunden sind sie vom Heimathafen Wien-Kuchelau "bergwärts" gefahren: neun Mann auf der "Niederösterreich", fünf Mann auf der "Oberst Brecht". "Die Buam", sagt der Staffelkommandant, "stellen sich ja auf alles ein, die sind hoch motiviert." Tatsächlich haben sich die meisten freiwillig zur Marine gemeldet. Einer sagt, er sei Ruderer und habe eh Bezug zum Wasser. Ein anderer ist wegen der "Action" in den Schiffsdienst eingetreten.
Die beiden 810-PS-Diesel der "Niederösterreich" werden immer lauter. Die Zeit drängt und der Augenblick ist günstig: Kein Schiff ist im weiteren Aktionsradius der beiden Boote, der erste Schießdurchgang kann beginnen. Schnelle Fahrt, die Aufbauten scheppern. "Feuerbereitschaft herstellen", schnarrt der Steuermann in sein Mikrofon.
Die Soldaten gehen in Stellung. Langsam tauchen der Steinbruch und die Zielscheiben backbord auf. Zieleinweisung, Feuer frei – die MGs rattern Leuchtspurmunition in die 30 Meter breite Steinschneise, wo die Granaten der Maschinenkanone einschlagen fliegt Schutt auf, mit dumpfem "Plopp" schickt das Panzerabwehrrohr eine Granate los. Kaum hat sich der Pulverdampf etwas verzogen, wenden die Boote. Hektisches Nachladen, ein zweiter und dritter Durchgang gehen sich noch aus, bevor ein Passagierschiff durchfährt. Wieder das gespannte Warten bis die Ziele im Fadenkreuz sind, Feuer, Kugelhagel.
Staffelkommandant Hegna ist mit dem Ergebnis zufrieden. Sicher, etwas Waffendrill hätten Matrosen noch gebraucht. Aber man hat sich eben mit dem Fremdenverkehrsamt und den Vogelschützern vom WWF auf diesen Zeitpunkt für das Schießen geeinigt. Außerdem: "Eine Trefferquote von mehr als 25 Prozent ist kaum drinnen."
Den "Buam" hat das Ballern Spaß gemacht. "Disneyland. Fuck, man, this is better than Disneyland", das hat schon einer auf dem verdammten Patrouillenboot in Coppolas Vietnamfilm "Apocalypse Now" gesagt.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 10. 2001)