Auto
Let there be Sandkistenrock!
Bockhorn-Lenker, Bananensattel, Fuchsschwanz, Hupe, Jeansjacke, Mittelfinger - Das "Bonanzarad" will wieder geritten werden.
Was ist das wirklich? Gut, ein Fahrrad - so viel steht fest. Ein Retrokultobjekt aus den 70ern? Ein bisschen. Ein supercooles, umweltfreundliches Fortbewegungsmittel, das das Rock´n´Roll-Lebensgefühl der Führerscheinlosen ausdrückt? Wir nähern uns der Wahrheit. Eingedeutscht
Der High Riser kam in den 60er- und 70-Jahren aus den USA: Der High Riser wurde vom Katalogversender Neckermann eingedeutscht, indem dieser sein Modell "Bonanza" nannte. Also ist der High Riser bei uns auch als "Bonanzarad" bekannt.
In den 80er-Jahren wurde er vom BMX-Rad abgelöst: Die Geräte schienen lange wie vom Erdboden verschwunden. Aber es gibt sie noch. Wir fuhren eines.
Überbordend
Als nacktes Ding, ohne Accessoires (ein in diesem Zusammenhang viel zu elegantes Wort), ist ein High Riser schon der reinste Wahnsinn auf irdischen Radwegen.
Die getunten Varianten, mit flatternden Fuchsschwänzen und Wimpeln am Sissybar (die Sitzlehne), befinden sich außerhalb des ästhetischen Verfassungsbogens.
Laut
Als sandkastenrockender Pedaltreter macht man jedoch prinzipiell nicht in der Diktatur der Angepassten mit. Ein gut gerüstetes Bonanzarad muss sich auch akustisch bemerkmar machen können.
Beim High Riser erledigt dies eine Hupe. Aber nicht irgendeine. Sondern eine richtig große. Laute. Mit mindestens zwei verchromten Röhren, die dann am geschwungenen so genannten Bockhorn-Lenker festgemacht wird. Beim Betätigen dieser führen Fußgänger ein kurzes Tänzchen auf.
Ein Detail: Man kann die Ventilschrauben der Reifen austauschen. Nicht von Schwarz auf Orange. Nein kleine Totenköpfe werden draufgeschraubt.
Provokant
Zur Fahrweise: wir legen den ersten von drei Gängen ein. Wir stellen das rechte Pdal so, dass es oben ist. Dann steigen wir mit dem Fuß auf das Pedal und treten hinein, was das Zeug hält. Gleichzeitg wird der Lenker hoch gerissen. High Riser! Juchuu! So wird gestartet und nicht anders.
Cool
Während der Fahrt verharren wir in einer chopperähnlichen Sitzposition. Zum Gesichtsausdruck ein Tipp: beim Engegenkommen abartiger Fahrräder, wie zum Beispiel Mountainbikes oder Rennräder, schaut man dem Fahrer tief in die Augen und zieht den linken Mundwinkel Richtung linkes Auge. Kommt gut.
Sinnentleert
Artgenossen werden übrigens freundlichst mit dem gestreckten Mittelfinger geüßt. Als Schutzbekleidung dient eine ausgewaschene Jeansjacke mit einem braunen Adler, dem American Eagle, der auch Jeep-Wrangler-Motorhauben zu finden ist.
Warum fährt man nun damit? Es muss, Gott sei Dank, nicht auf alles eine Antwort geben und nicht alles im Leben muss Sinn haben. (Gregor M. Waidacher, AUTOMOBIL, 12.10.2001)