Geschlechterpolitik
"Ich habe nichts gegen Lesben, aber ..."
EU-Kampagne richtet sich gegen verbale und psychische Gewalt gegen lesbische Frauen - mit Ansichtssache
Wien - Diskriminierung und Stigmatisierung
schränken Lesben in ihrer Freiheit ein und können zu psychischen
Beeinträchtigungen führen. Dies haben Studien gezeigt. Deshalb ist seit
1. November auch in Wien eine Plakatkampagne zu sehen, die sich mit "Gewalt gegen Lesben" beschäftigt. Die Kampagne ist Teil eines gleichnamigen EU-Projektes, das auf das DAPHNE-Programm - ein präventiv ausgerichtetes Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft zur Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen - zurückgeht.
Die Kampagne zielt auf all jene Menschen, die sich als weltoffen
und tolerant einschätzen - aber unbewusst Vorurteile gegenüber
lesbischen Frauen und deren Lebensweise pflegen. Fünf verschiedene
Plakatmotive hängen im November 2001 in den Wiener U-Bahnen, in
Frankfurt, Berlin, Köln, Neubrandenburg und Kassel.
Vorurteile
"Lesben sind männerfeindlich, hässlich, können keine Kinder
erziehen: Solche Vorurteile sind unter Frauen wie Männern, unter
Alten wie Jungen gleichermaßen verbreitet", sagte Projektleiterin
Constance Ohms aus Frankfurt. Auf allen fünf Plakatmotiven sind
deshalb die Köpfe von Menschen beider Geschlechter und jeden Alters
zu sehen. Alle Plakate erregen mit dem Satz: "Ich habe nichts gegen
Lesben, aber..." Aufmerksamkeit. Die folgenden, gängigen Vorurteile
werden in wenigen Widerworten entlarvt. Und immer lautet der Claim am
Ende: "Kein Aber! Keine Gewalt gegen Lesben".
"Mit dieser Widerrede wollen wir klar machen, dass Vorurteile
verletzen, und dass diese alltägliche Form der Diskriminierung
außerdem den Nährboden für Gewalt bietet", erläutert Angela Schwarz
von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche
Lebensweisen die Idee. Denn was den meisten Leuten als harmloser
Spruch gilt und was viele nicht mit dem Vorsatz, andere zu verletzen
sondern in Gedankenlosigkeit dahin sagen, erleben die betroffenen
lesbischen Frauen als verbale und psychische Gewalt.
Studienergebnisse
So belegen Studien, dass viele Lesben infolge von
Stigmatisierung und Diskriminierung an Angstzuständen, Depressionen,
Ess-Störungen, Alkohol-, Drogen- oder Medikamentensucht leiden. An
psychosozialen Hilfsangeboten für diese Frauen mangelt es allerdings.
Im Rahmen des EU-Projektes wurden im Sommer 2000 Familien- und
Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser, soziale Einrichtungen,
Opferhilfen sowie Polizeipräsidien in Österreich, Deutschland und
Belgien befragt. Die Ergebnisse werden bis Dezember vorliegen.
Schon
jetzt lässt sich sagen: Die Mehrzahl der Befragten hat keine
Erfahrung mit lesbischen Opfern von Gewalt und Diskriminierung, zudem
erkennen sie nicht die Notwendigkeit an lesbenspezifischen Angeboten.
Gibt es solche, wurde ihre Existenz oft mühevoll erkämpft - und hängt
stark vom Engagement einzelner MitarbeiterInnen ab. Weil die
psychosoziale Betreuung der lesbischen Frauen in diesen Einrichtungen
aber nicht strukturell verankert ist, ist ihr Bestehen auf Dauer
ungewiss.
"Ein Umdenken im psychosozialen Bereich ist absolut notwendig",
folgert Angela Schwarz aus den Ergebnissen der Umfrage. "Die
psychosexuelle Identität spielt ebenso eine Rolle wie die Ethnie, der
soziale Hintergrund oder die Behinderung einer Ratsuchenden." Die
Ansätze lesbenspezifischer Hilfsangebote müssten daher gestärkt
werden. (red/dy)