Lifestyle
Nicht nur abwarten
Jane Pettigrew gilt weltweit als eine der Autoritäten in Sachen Tee. Und sie weiß auch, was man dazu isst
Jane Pettigrew ist so eine Art Hugh Johnson der Teewelt: Sie weiß alles darüber, ihre Bücher zum Thema sind Legion und jedem, der glaubt, über Tee jetzt aber echt schon alles zu wissen, erzählt sie mit einer heiteren Leichtfertigkeit noch ein paar Geschichten, dass es nur so raucht. Die Londonerin eröffnete 1983 einen längst sehr berühmten Tee-Laden namens "Tea Time" und übernahm in Folge die Chefredaktion der Fachzeitung "Tea International". Außerdem hält sie Vorträge in aller Welt zu allem, was irgendwie mit Tee zu tun hat, veranstaltet Seminare für Teeladen-Besitzer und berät diverse Top-Hotels bei der Zusammenstellung ihres Tee-Programms.
Angesichts einer geschätzten Zahl von etwa 3000 verschiedenen Tee-Sorten weltweit sind die Möglichkeiten, Tee mit Essen zu kombinieren, natürlich auch nicht gerade klein, so Pettigrew. "Grüntee ist hier in Mitteleuropa zwar sehr viel populärer als bei uns in England, das hat, glaube ich, mit dem Gesundheitsbewusstsein hier zu tun", andererseits sei die Kombination von Essen und Tee auf den Inseln weitaus fundierter. Was übrigens historische Gründe hat: Im Zuge der Veränderung des Tagesablaufes zu Beginn des 19. Jahrhunderts - das Abendessen verschob sich aufgrund eines neuen Beschäftigungsbildes weiter nach hinten - erfand das gehobene Bürgertum den so genannten "Low Tea". Low deshalb, weil er auf niedrigen Tischen serviert wurde, am liebsten im Garten, mit kleinen Mahlzeiten dazu, wobei das soziale Moment da weitaus wichtiger war als das kulinarische. Die Mahlzeit namens "High Tea" indes stammt aus der Arbeiterschicht und heißt so, weil der Tee da nach der Arbeit mit allem verfügbaren Essen auf den großen Tisch gestellt wurde. Hier ging es um den Hunger, was die High Society aber dennoch nicht abhielt, auch die Tradition des "High Tea" zu übernehmen.
Die Chancen des Tees in der heutigen Küche sieht Pettigrew vor allem bei den asiatischen Küchen, "weil zu indisch etwa, da geht kein Wein. Da geht nur Bier oder Tee". Und je stärker das Essen, desto stärker müsse der Tee sein, meint sie. Chinesische Grüntees und Jasmintee mit chinesischem Essen, japanische mit indonesischem Essen, sogar zu italienischer Küche müsse es nicht Wein sein, Ceylon-Tee ginge auch. Als den Essenstee schlechthin empfiehlt Jane Pettigrew aber ohnehin den geräucherten Lapsang Souchong, der passe zu Fisch und Huhn einmal sowieso, und zu geräuchertem Lachs oder Fleisch dann überhaupt super. Zu cremigen Torten müsse man den Darjeeling probieren, Ceylon zu Salaten und Früchten, und wenn's um Schokolade geht, solle man zu den kräftigen Tees aus Afrika greifen.
Besonders spannend werde die Sache aber erst dann, so die Britin, wenn man Tee als Zutat verwende. Sie erzählt da etwa von der chinesischen Methode, Teeblätter in Bambusrohren fermentieren zu lassen und in Sesamöl eingelegt als Pickles zu essen. Oder von den Japanern, die Macha-Tee ja für Kuchen, Eis, Nudeln und Kekse verwenden. Denkt man weiter, so kann man Tee auch als Gewürz verwenden, Jane Pettigrew spricht da etwa von Tee-Marinaden oder der Möglichkeit, zu Pulver gemahlenen Tee mit Gewürzen zum Einreiben von Fisch zu benutzen. Und wirklich heiß wird's überhaupt, wenn man etwas Darjeeling mit etwas Reis, Zimt, Orangenzeste, Sternanis, etwas braunem Zucker und weiteren Gewürzen in den Wok wirft, ordentlich einheizt, bis die Mischung zu rauchen beginnt, und darin dann ein paar Minuten lang Enten- oder Hühnerbrüste räuchert.
In England gebe es jedenfalls kein Restaurant, das sich auf solche Methoden verstünde, bedauert Pettigrew, da hätte sie schon nach Manhattan in die 5th Avenue fahren müssen. Tja, und Buch hätte sie auch noch keines geschrieben darüber, "aber vielleicht das nächste", mal sehen.
der Standard/rondo/2/11/01