Manchmal fühlen sich Mitmenschen verpflichtet. Etwas zu sagen. Weil bestimmte Substantiva ohne Adjektiv ungültig sind. Und ich meine nicht jene Figuren, die die Regierung immer noch als "neu" bezeichnen. Ich bleibe am Boden. Bei den Menschen. Denen, die an der Supermarktkasse immer häufiger mit Bergen von Kleingeld bezahlen. Nicht sieben Schilling achtzig, sondern Beträge über sechs-, siebenhundert Schilling. Schuld ist der Euro. "Der depperte Euro", wie diese Menschen sagen. "Euro" funktioniert nicht ohne "deppert". Manchmal "g´schissen", selten "blöd". "Deppert" führt. Und es sind ausschließlich Leute, die den Euro adjektivisch erweitern, die darauf bestehen, mit einzelnen Schillingmünzen zu bezahlen. Mir ist der Euro ziemlich wurscht: Ich werde mich gewöhnen. Ein paar Mal ordentlich verrechnen - natürlich zu meinen Ungunsten. Ein paar mal Dinge kaufen, die mir billig erscheinen, weil die Summe so niedrig ist. Danach über die eigene Dummheit ärgern. Nach drei, vier Wochen werde ich mir denken, dass ein Liter Milch einen Euro (wieviel auch immer, das hab ich mir nie gemerkt) kostet. Wieviel war das in Schilling? Wie im Urlaub halt. Nur dass ich in Resteuropa dann nicht mehr rechnen muss, wird fehlen. Aber "deppert"? Manche Leute verstummen auch einfach. Kellner. Seit sie mit der doppelten Preisauszeichnung angefangen haben, sind Ober - dort, wo der Gast nicht eine Summe an den Kopf, sondern einen Zettel auf den Tisch bekommt - still geworden. Statt "84 Schilling" (dazugedacht: "und jetzt trau dich, 85 oder 90 sagen"), stehen jetzt- zum Beispiel - 83 Schilling 71 Groschen da. Was tun die, wenn ich auf 75 Groschen aufrunde - oder exaktes Retourgeld verlange? Schweigen ist besser. Noch besser mit einem Blick, in dem das Leid des um Trinkgeld bangenden, vom Alpdruck heraufziehender tonnenenschwerer Kleingeldbutten geplagten Servicepersonals Europas liegt. Besser als "deppert". Das bleibt mir trotzdem nicht erspart. Mein Augustin-Dealer entschuldigt sich für den Preis des Produktes, das man kaufen aber nicht lesen kann. Der depperte Euro. Nur deshalb koste das Gossenblatt 28 Schilling. Zwei Euro. Die Umrechnung falsch? Für den Preis sei nicht er verantwortlich. Ich will zwei Schilling Retourgeld. Seine Flüche höre ich, bis die U-Bahn abfährt: Nicht nur der Euro sei deppert, meint der Straßenhändler. Früher war die Welt einfacher. Da sagte der Mann immer nur "Oida, gibs´t ma an Schülling fia a Bier?" Daran, dass das nicht mehr geht, ist sicher auch der Euro schuld. NACHLESE --> Sitz- und andere Kulturleiden --> Zu viel gescheit --> Gasmasken --> Vom Frühstück --> “Der hygienische Handschuh” --> “Tanzverbot” --> “Tolle Bilder” --> Die Erbin der Torte --> Gasometer --> Stirb, Sofie --> Von Svihalek träumen --> A.'s erste Bürgerinitiative --> Nepals schlafende Hunde --> Weitere Stadtgeschichten...