Wien - Lob und Tadel für Österreich. Sloweniens Präsident Milan Kucan hob nach dem Treffen mit seinem österreichischen Amtskollegen Thomas Klestil in Wien hervor, sein Land habe wegen des "Verständnisses und der Unterstützung vonseiten Österreichs" in den letzten zehn Jahren "viele Probleme schneller und leichter lösen können". Bei den gegenwärtigen EU-Beitrittsverhandlungen spielt aus der Sicht Sloweniens - eines der "Musterknaben" unter den EU-Kandidaten - Wien allerdings eher den Bremser.

"Es gibt einige Kapitel, die wir hätten schließen können, wenn der Dialog zwischen Ljubljana und Wien produktiver gewesen wäre", sagte Kucan und bezog sich damit auf die österreichischen Vorbehalte, die in Brüssel einen Abschluss des Verkehrskapitels verzögern. Bei allem Verständnis für die Verkehrssorgen des nördlichen Nachbarn appellierte der slowenische Präsident doch an Österreichs Eigeninteresse: "Wenn Österreich den Beitritt Sloweniens beschleunigt, dann wird es bereits zwei Staaten in der EU geben, die sich eine andere Verkehrspolitik wünschen." Um die gegenwärtige Situation zu illustrieren, griff Kucan zu einem Bild aus der Verkehrsgeographie: "Die Straße zwischen Österreich und Slowenien führt zwar in beide Richtungen, es gibt aber eine Verengung, und dort muss man eine Ausweichstelle bauen, damit es keinen Zusammenstoß gibt."

Vergangenheit

Aus der gemeinsamen Geschichte drohen hingegen nach Ansicht Kucans wohl zwischen Österreich und Slowenien keine Kollisionsgefahren mehr. "Ich glaube, die Zeit ist reif, die Vergangenheit den Historikern zu überlassen", sagte er. Die liegt nun - trotz einzelner Querschüsse des Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider - in den Händen der österreichisch-slowenischen Historikerkommission.

Dass Kucan aber damit nicht alle Kapitel schließen will, zeigte seine Äußerung, dass "die Regierung noch individuelles Unrecht dort wiedergutmachen" soll, "wo es sich in der Vergangenheit zugetragen hat". - In der Tat laufen derzeit in Slowenien einige Gerichtsprozesse um ungerechtfertigte Enteignungen von Österreichern nach Kriegsende. Die Avnoj-Beschlüsse von 1945 verteidigte Kucan allerdings grundsätzlich auch am Dienstag. Sie bauten nicht auf der Idee der Kollektivschuld auf, sondern auf der Schuld von einzelnen - nationalsozialistisch beherrschten - Organisationen. "Wenn hier aber jemandem Unrecht getan wurde, soll das auch wiedergutgemacht werden", so Kucan.

Auf der anderen Seite wies Sloweniens Präsident allerdings auch auf die Wiedergutmachung für slowenische Zwangsarbeiter hin, die nach Österreich verschleppt worden waren. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 7.11.2001)