Australien
"Count Down" beim australischen Parlamentskampf
Regierung profitiert von harter Flüchtlingspolitik - Opposition holt aber auf
Am Dienstag legte Richard
Woolcott alle Diplomatie zur
Seite. "Wir sind Zeuge eines
erneuten Aufflackerns alter
Unkulturen: Rassimus, religiöse Intoleranz und Chauvinismus", meinte der sonst zurückhaltende Exsekretär des
australischen Außenministeriums. Woolcott ist einer von
mehreren Intellektuellen, die
in den letzten Wochen in Australien Alarm schlugen. Seine
Heimat, so ein anderer Kommentator, treibe "politisch auf
den Abgrund zu".Vorwurf Rassismus zu schüren
Kritiker werfen der liberal-
konservativen Koalitionsregierung von Ministerpräsident
John Howard vor, aus wahltaktischen Gründen im Volk
Rassismus zu schüren und
durch die harte Politik gegenüber Bootsflüchtlingen den
Ruf des Landes zu schädigen.
Es ist jedoch kaum wahrscheinlich, dass sich die Regierung, die sich am heutigen
Samstag seit 1996 zum dritten
Mal zur Wiederwahl stellt,
von warnenden Stimmen beeindrucken lässt. Howards
Strategie der Konzentration
auf das Thema "illegale
Flüchtlinge" scheint aufzugehen - auch wenn sie Australien international zusehends in
die Isolation getrieben haben.
Umfragen lassen den vorsichtigen Schluss zu, dass die Koalition erneut die Mehrheit im
148 Sitze zählenden Repräsentantenhaus schaffen wird.
Allerdings steht die oppositionelle Labor-Partei, die vor
dem Machtwechsel 1996 13 Jahre die Regierung gestellt
hatte, in der Wählergunst nur
knapp hinter den Liberalen.
Premier präsentierte sich als "starker Führer"
Das war vor ein paar Wochen noch anders. Labor-Chef
Kim Beazley hatte alle Chancen, das Rennen zu gewinnen.
Obwohl es dem Land wirtschaftlich sehr gut geht, war
Australien nach dem berauschenden Erfolg der Olympischen Spiele in eine Art kollektiven Katerzustand gerutscht. Entscheidend an der
Popularität der Regierung gezerrt hatte die Einführung einer Mehrwertsteuer, die sich
für sozial Schwache und
Kleinbetriebe als zusätzliche
Belastung erwies. Die Ankunft
des Frachters Tampa im August erwies sich für Howard
als ideales Instrument der
Ablenkung von diesen Problemen, sagen seine Gegner.
Der Premier machte Grenzschutz zur Chefsache, präsentiert sich dabei als "starker
Führer", wie er sich selbst
nennt, und schaffte es in die
Gunst der Wähler zurück.
Repressive Flüchtlingspolitik
Dass Labor inzwischen
wieder aufgeholt hat, ist nicht
damit zu erklären, dass sich
Beazley gegen die repressive
Flüchtlingspolitik seines
Gegners gestellt hätte. Im Gegenteil: Die Opposition unterstützt die Regierung in ihrer
Haltung. Dem Premier auf der
Wartebank gelang es in den
letzten Tagen aber, Themen
wie Ausbildung, Gesundheitsversorgung und Arbeitsplätze in den Wahlkampf einzuführen - Alltagsprobleme,
die dem Souverän noch immer
nahe gehen.
Schwierige Gewinnprognose
Im Kopf-an-Kopf-Rennen
zwischen Labor und der Koalitionsregierung gibt es mehrere
Faktoren, die eine Gewinnprognose äußerst schwierig
machen. Die Australier sind
dafür bekannt, dass sie sich
erst an der Urne für eine Partei
entscheiden. In mehreren
Wahlkreisen braucht es nur
wenige Stimmen, um das
Pendel in die eine oder andere
Richtung ausschlagen zu lassen. Aufgrund der wachsenden Politikverdrossenheit im
Volk könnten es zudem bis zu
drei Vertreter der extremen
Rechten in den Senat schaffen. Auch Pauline Hanson, die
berüchtigte Gründerin der
Rechtspartei One Nation, hofft
auf einen Sitz in der Vertretung der Bundesländer. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 10./11.11.2001)