Wien - Mehr Betrug an Brüssel. Die Zahl der bekannt gewordenen Fälle von finanziellen Unregelmäßigkeiten zulasten des EU-Haushalts hat sich im Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Darauf wies der SPÖ-Europaabgeordnete Herbert Bösch am Mittwoch in Wien bei einem Pressegespräch eindringlich hin. Er forderte die Einrichtung einer EU-Finanzstaatsanwaltschaft, um die Delikte künftig effizienter verfolgen zu können. Warum sich - außer vielen Mitgliedstaaten - auch die EU-Kommission dagegen wehre, verstehe er nicht, so Bösch. Zwei Milliarden Euro Schaden Bösch präsentierte die Ergebnisse seines Betrugsberichts 2000, den er für den Haushaltsausschuss des EU-Parlaments angefertigt hat und der auf Ermittlungen der EU-Kommission, des Rechnungshofes und eigenen Recherchen der parlamentarischen Budgethüter basiert. Im Jahr 2000 ist demnach der EU durch mutmaßliche Betrugsfälle ein Schaden von rund zwei Milliarden Euro entstanden, im Jahr 1999 betrug der bekannt gewordene Schaden "nur" 838 Millionen Euro. Verstärkter Ermittlungseifer Wie auch die EU-Kommission, die ähnliche Zahlen schon im Mai bekannt gemacht hatte, führt Bösch diese massive Steigerung zum Teil auf verstärkten Ermittlungseifer zurück. Doch: "Wenn es einen derartigen Sprung gibt, dann ist auch etwas passiert", so Bösch. Der Parlamentarier kritisierte daher die Kommission scharf: Deren "Reaktion auf die hohe Zahl der Fälle war gleich null". (jwo, DER STANDARD, Printausgabe 8.11.2001)