Frankfurt/Wien - Die wichtigsten Notenbanken der Welt haben mit deutlichen Zinssenkungen auf den wirtschaftlichen Abschwung reagiert: Nach der US-Notenbank haben am Donnerstag auch die Europäische Zentralbank und die Bank of England die Zinsen um 50 Basispunkte gesenkt. Die Euro-Währungshüter beschlossen, den entscheidenden Leitzins von 3,75 auf 3,25 Prozent zu verringern. Analysten, Volkswirte und Politiker begrüßten die Entscheidung als unerwartet deutlich. Mit diesem Schritt will die EZB den Teufelskreis von nachlassendem Konsum, rückläufigen Investitionen und Entlassungen durchbrechen. Inflationsdruck zurückgegangen EZB-Präsident Wim Duisenberg begründete die Entscheidung mit dem weiter zurückgegangenen Inflationsdruck. Vor dem Hintergrund der Schwäche der Weltwirtschaft werde das BIP-Wachstum im Euro-Raum im zweiten Halbjahr 2001 schwach sein. Als Folge - und auch wegen der Unsicherheiten nach dem 11. September - scheine es zu Verzögerungen bei der Investitionstätigkeit zu kommen. Bis zu einem gewissen Grad könne es auch negative Folgen für das Wachstum des privaten Verbrauchs im Euro-Raum geben. Er forderte die Regierungen der Euro-Staaten erneut auf, an der Haushaltskonsolidierung festzuhalten und Strukturreformen voranzutreiben. Die Bank von England, die dem europäischen Währungssystem nicht angehört, hatte zuvor ihren Leitzins von 4,5 auf 4,0 Prozent gesenkt. Die Dänische Notenbank senkte den Diskontsatz am Donnerstag ebenso um 50 Punkte auf 3,25 Prozent. Bereits am Dienstag hatte die US-Notenbank ihren wichtigsten Zinssatz zum zehnten Mal in diesem Jahr zurück genommen, und zwar ebenfalls um 0,5 Punkte auf 2,0 Prozent. Abgesprochene Aktion Nach Aussage von Duisenberg handelt es sich nicht um eine abgesprochene Aktion. Die jeweiligen Sitzungstermine der Notenbanken seien zufällig in diese Woche gefallen. Auf den relativ späten Zeitpunkt der vierten EZB-Zinssenkung angesprochen, sagte Duisenberg, nach den Terroranschlägen in den USA habe das weltweite Vertrauen in die Konjunktur stärker gelitten als noch vor wenigen Wochen angenommen. Dies sei erst durch die jüngsten ökonomischen Daten sowie Prognosen wichtiger Institutionen deutlich geworden. Gedämpfter Ausblick Nach Meinung des EZB-Präsidenten dürfte die Konjunktur im Euro- Raum erst im ersten Halbjahr 2002 wieder an Fahrt zulegen. Allerdings sei nur mit bescheidenen Wachstumsraten zu rechnen. Mit der Senkung der Leitzinsen um insgesamt 1,5 Prozent seit Mai dieses Jahres habe man aber einen wichtigen Grundstein für eine Erholung gelegt. Er gehe davon aus, dass sich dies auch in niedrigeren Geldmarktzinsen niederschlage. Die starke Zinssenkung um 0,5 Prozentpunkte begründete Duisenberg mit einer deutlich abnehmenden Gefahr für die Preisstabilität. Auf Grund der schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage, steigender Arbeitslosigkeit und geringen Lohnsteigerungen dürfte die Inflation Anfang nächsten Jahres wieder unter die Warnschwelle von zwei Prozent zurück gehen. Die öffentlichen Haushalte in Euro-Land müssten allerdings mittelfristig an ihren stabilitätspolitischen Zielen festhalten. (APA/AP/dpa)