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Brüssel/Wien - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat am Donnerstag in Brüssel die Bedingungen Österreichs hinsichtlich der Sicherheit des Atomkraftwerkes Temelín als Voraussetzung für einen positiven Abschluss der tschechischen Beitrittsverhandlungen mit der EU deutlich verschärft. Im "Melker Prozess" zur Beseitigung der Sicherheitsmängel seien "die Verhandlungen zwar noch nicht abgeschlossen. Wenn es aber Ergebnisse gibt, wollen wir, dass diese voll in den Beitrittsvertrag integriert werden. Sie müssen rechtsverbindlich sein", sagte Schüssel in einer Pressekonferenz, nachdem er das Thema bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Romano Prodi ausführlich erörtert hatte. Nuklearen Sicherheitsstandards gibt es im Rechtsbestand der Union bisher nicht Solche nuklearen Sicherheitsstandards gibt es im Rechtsbestand der Union bisher nicht. Die Atom-Sicherheit liegt ausschließlich in nationaler Verantwortung, und vor allem Spanien, Frankreich oder Großbritannien, die über bedeutende nukleare Anlagen verfügen, lehnen eine entsprechende Änderung der EU-Verträge mit Vehemenz ab. Mögliche erste Schritte bei der Entwicklung einer nuklearen Sicherheitsstrategie Gingen die Überlegungen des Kanzlers auf, könnte dies entscheidend zu einer Entspannung im zwischenstaatlichen Streit zwischen Österreich und Tschechien beitragen. Denn dann würde sich die Frage eines Vetos aus Wien gegen einen EU-Beitritt Tschechiens (nach einer Blockade des Energiekapitels bei den Verhandlungen) auflösen. Der Eintritt der Tschechen in die Gemeinschaft könnte sogar als Beitrag zu einem ersten Schritt bei der Entwicklung einer nuklearen Sicherheitsstrategie der Union angesehen werden. Die Diskussion in der Koalition zur Causa Temelín nahm an Schärfe zu. ÖVP-Generalsekretärin Rauch-Kallat bezeichnete die Vetodrohungen der FPÖ als "nicht produktiv". Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer hält es für unwahrscheinlich, dass die FPÖ dem Abschluss des Energiekapitels vor Jahresende zustimmt. Tschechien müsse die Nulloption akzeptieren, sonst halte die FPÖ ihre Vetodrohung aufrecht. Die SPÖ und die Grünen fordern ein Ende des Streits um Temelín. (red, DER STANDARD Print-Ausgabe 9.November 2001)