Innsbruck - Einer Erweiterung der Europäischen Union sei "absolute Priorität" einzuräumen, betonte der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, am Freitag anlässlich der Tagung "1000 Städte für Europa" in Innsbruck. Auch die Balkanländer seien in diesen Prozess einzubeziehen, forderte Prodi. Das "größte demokratische Globalisierungsprojekt der Geschichte" "nimmt feste Gestalt" an, sagte Prodi zu den "gut voran" kommenden Beitrittsverhandlungen. In wenigen Jahren werde die Union über 500 Millionen Menschen umfassen. Ziel sei es, die Verhandlungen mit den am Besten vorbereiteten Beitrittskandidaten bald abzuschließen, so dass diese noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 der EU beitreten könnten. Die Erweiterung müsse parallel zu einer "wirklichen Politik der Solidarität" gegenüber den neuen Nachbarn erfolgen, erklärte Prodi in seiner Rede und in der darauf folgenden Pressekonferenz. Dabei denkt Prodi besonders an die westlichen Balkanländer. Die Konflikte und Spaltungen dieser Länder könnten nur durch eine "europäische Lösung endgültig und dauerhaft überwunden" werden. Die EU verfolge dabei eine "neue Politik der Öffnung", die auf eine schrittweise Integration dieser Länder abziele. Ein "neues Kapitel" müsse die EU für die Hilfe in der Dritten Welt aufschlagen, forderte der Kommissionspräsident. "Allianz von Minderheiten" Als "Allianz von Minderheiten" sei laut Prodi die EU zu sehen. In Europa würden nämlich alle zu einer "Minderheit" gehören, es dürfe kein Land geben, das eine Mehrheit bilde. Europa soll "von der Basis her weiterentwickelt" werden. Dabei werde an ein "Entscheidungssystem" gedacht, um die Bürger dazu zu bewegen, "sich Europa ganz zu Eigen machen". Die eigentliche Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips sei in erster Linie die Anerkennung der "Rolle und Würde jedes einzelnen Bürgers", betonte der Präsident. "Offenheit, Partizipation, Rechenschaftspflicht, Effektivität und Kohärenz" seien Instrumente, die für "europäisches Regieren" eingesetzt werden sollen, führte Prodi aus. Die Befolgung dieser Grundsätze werde "zwangsläufig" die Anwendung der übrigen Grundprinzipien "Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit" erleichtern. Nach einer Erweiterung werde die EU "weitaus differenzierter" sein als die heutige Union mit 15 Mitgliedstaaten, warf Prodi einen Blick in die Zukunft. Daher müsse überlegt werden, welche "gemeinsamen Politiken" gebraucht würden und wie eine "substanzielle Neuverteilung" der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen aussehen sollte. Auch das Entscheidungssystem müsse reformiert werden. Die gegenwärtige institutionelle Ordnung sei für eine Gemeinschaft von sechs Mitgliedern konzipiert worden. Schon mit 15 Mitgliedern funktioniere dieses System "nur mit Schwierigkeiten". Wenn die Union erst einmal 27 oder mehr Mitgliedstaaten zähle, werde sie "vollends unregierbar" sein. (APA)