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Andreas Felber

Hamburg - Sie hat den zurzeit schönsten Schlafzimmerblick überhaupt. Zumindest auf Fotos ihrer CDs weiß man Jane Monheits optische Vorzüge massenpublikumskompatibel ins Licht zu rücken. Never Never Land hieß das anno 2000 veröffentlichte Debüt der 24-jährigen New Yorkerin, und dieser Titel, einem Tin-Pan-Alley-Schlager entlehnt, lässt sich auch als Programm lesen: Wie in Peter Pans Nimmerland steht auch in der Musik Jane Monheits die Zeit still.

Es scheint, als hätte irgendjemand 1950 die Uhr angehalten und die Show weiterlaufen lassen, derart apollinisch und mild und restlos befreit von allem, was an die Gegenwart gemahnen könnte, werden hier sattsam bekannte Jazz-Standards dargeboten. Monheit selbst bekümmert dies wenig: "Ein Lied wie Somewhere Over The Rainbow bedeutet mir persönlich so viel, dass ich mir über Interpretationen anderer Sänger keine Gedanken mache - obwohl das Lied schon Tausende Male aufgenommen wurde", meint die junge Sängerin.

"Das war die erste Musik, die ich jemals gehört habe, die erste Musik, die ich jemals mochte. Als ich aufwuchs, war Ella Fitzgerald wie eine Göttin für mich. Ich hörte ihre Platten ununterbrochen, verwendete sie als Textbücher - so lernte ich singen! Es macht für mich Sinn, diese Lieder zu interpretieren. Ich empfände es als seltsam, rauszugehen und zu tun, was all diese jungen Popstars tun." Jung, attraktiv, konservativ - warum sollte sich die darbende Musikindustrie, nachdem sie Diana Krall so erfolgreich gepusht hat, diesen nächsten potenziellen Kassenschlager entgehen lassen?

Zumal gerade die 90er-Jahre einen Generationswechsel unter den Sängerinnen mit sich brachten. Viele der alten Legenden - etwa Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald, Betty Carter - traten von der irdischen Bühne ab, die Vokalistinnen der mittleren Generation - Dianne Reeves, Cassandra Wilson, Dee Dee Bridgewater - mutierten zu den neuen Divas.

Und die Label-Scouts sahen sie sich umso eifriger nach nachrückenden Talenten um. Der Name Diana Kralls muss hier erneut fallen. Die Kanadierin saß 1998 in der Wettbewerbsjury des Washingtoner Thelonious-Monk-Instituts, die Jane Monheit den zweiten Preis zusprach und ihr damit zum Karrieresprung verhalf. "Ich sang in Bars, Restaurants und auf Hochzeiten. Das kann sehr hilfreich sein, ist aber keine künstlerisch erfüllende Arbeitsweise. Also absolvierte ich den Wettbewerb, um vorwärts zu kommen", resümiert Monheit.

Mit Großvätern

Mittlerweile tourt sie mehrmals im Jahr durch die USA und Europa, im Oktober war sie erstmals auch in Japan zu Gast. Ihre Studio-Sidemen sind Jazz-Granden vom Schlage Michael Breckers, Ron Carters und Kenny Barrons - Musiker, die ihre Großväter sein könnten. Trotz der massiven Marketingoffensive ist es indessen auch die Musikerin selbst, die für all dies (mit)verantwortlich ist.

Ließ das oben angesprochene Debüt daran noch Zweifel aufkommen, so demonstrierte Jane Monheit auf dem aktuellen Produkt Come Dream With Me Ansätze zu expressiver Sangeskunst. Die Verwendung von Overdub signalisierte vorsichtige Neugierde, die auch im Repertoire, etwa in der bestechend flotten Version von Antonio Carlos Jobims Waters of March als diskrete, spaltweite Öffnung der hermetischen Historienwelt ihren Niederschlag fand.

Es bleibt zu hoffen, dass dies im Kontext von Jane Monheits eingespielter "working group", mit der die Sängerin am Samstag in Festspielhaus beim Jazzherbst auftritt, auch hörbar wird.


(DER STANDARD, Print, Sa./So. 10./11.11.2001)