Europa
Konflikt in CDU um Kanzlerkandidatur
Stoiber weit vor Merkel
Rust - Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel will trotz massiver Kritik der Südwest-CDU
die Nominierung des Unions-Kanzlerkandidaten nicht vorziehen. Auf dem
Landesparteitag der baden-württembergischen CDU in Rust beharrte sie am
Samstag in einer kämpferischen Rede darauf, erst Anfang 2002 über den
Herausforderer des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zu
entscheiden. Merkel ließ aber erkennen, dass sie die Kandidatur nicht um jeden Preis
anstrebt. Über den Schröder-Herausforderer müsse anhand der Wahlchancen
entschieden werden, sagte sie.
Zuvor waren in dem Landesverband Zweifel an den Erfolgsaussichten einer
Kandidatur Merkels laut geworden und eine unverzügliche Nominierung des
Kanzlerkandidaten gefordert worden. Derzeit liegt der bayerische Ministerpräsident
Edmund Stoiber (CSU) in Umfragen weit vor Merkel.
Auf dem Parteitag hatten mehrere Delegierte für CSU-Chef Stoiber als Kanzlerkandidat
plädiert. In Kreisen des Landesverbands hieß es, eine große Mehrheit der Basis sei
für den bayerischen Ministerpräsidenten. Ein Antrag für den Landesparteitag, der sich
für eine Kandidatur Stoibers eingesetzt hatte, wurde allerdings entschärft. Der
Parteitag plädierte nun lediglich dafür, dass auf dem Bundesparteitag im Dezember
ein Verfahren für die Nominierung festgelegt wird.
Merkel könnte verzichten
Merkel machte deutlich, dass sie auf eine Kanzlerkandidatur verzichten werde, wenn
ein anderer Unionspolitiker bessere Chancen bei den Wählern habe. "In einer solchen
Frage müssen persönliche Interessen selbstverständlich zurücktreten", sagte sie.
Zwar müsse der oder die Vorsitzende der CDU in der Lage sein, die Kanzlerkandidatur
der Union zu übernehmen. Das sage aber nichts aus über eine Entscheidung in einer
konkreten Situation. Diese müsse sichnach den Wahlaussichten richten. "Edmund
Stoiber und ich sind uns unserer Verantwortung bewusst", sagte sie. Sie handle nach
dem Prinzip: "Erst das Land, dann die Partei, dann die persönlichen Interessen."
Nach einer Infratest-Dimap-Umfrage für die ARD würden sich 56 Prozent der
Unions-Anhänger für Stoiber entscheiden, wenn sie ihren Kanzlerkandidaten direkt
bestimmen könnten. Nur zwölf Prozent sprächen sich demnach für eine Kandidatur
Merkels aus, 24 Prozent für eine Nominierung des ehemaligen CDU-Vorsitzenden
Wolfgang Schäuble.
In der Frage der Kandidatenkür blieb Merkel unnachgiebig. Der Herausforderer
Schröders dürfe auch deshalb nicht vor Anfang 2002 bestimmt werden, um dem
politischen Gegner die Angriffsfläche zu nehmen, sagte Merkel. Die Erfahrung der SPD
zeige, dass Kandidaten nicht frühzeitig verschlissen werden dürften. Es sei aber nie
die Rede davon gewesen, erst im Frühjahr 2002 über den Kandidaten zu entscheiden,
sondern Anfang kommenden Jahres.
Sofortige Kandidatenkür
Der baden-württembergische CDU-Vorsitzende Erwin Teufel hatte am Freitag deutlich
gemacht, dass die Spitze der Südwest-Union für eine sofortige Kandidatenkür plädiert.
Nur so könne die anhaltende und Partei schädigende Kandidatendebatte beendet
werden. Zu einer Kandidatenkür erst Anfang 2002 hatte Teufel erklärt: "Wir können nur
hoffen, dass es gut geht." Merkel ging am Samstag mit der Bemerkung darauf ein,
Teufel solle nicht nur hoffen, dass es gut gehe, sondern mit dafür sorgen, "dass es für
unsere gemeinsame Sache gut wird, mit diesem Zeitplan".
Auf die Frage, welcher Kanzlerkandidat der Union ihm am liebsten wäre, sagte
Bundeskanzler Schröder dem "Focus", das sei ihm egal. "Inzwischen hoffe ich
allerdings, dass sie bis zum 22. September überhaupt einen haben."
Kritik am Verhalten der Union wurde aus der Wirtschaft laut. BDI-Präsident Michael
Rogowski sagte der "Welt am Sonntag", der Kandidatenstreit beeinträchtige die
Aktionsfähigkeit der Union beträchtlich. "Alle in der Union müssen sich am Riemen
reißen, denn wir brauchen eine starke Opposition..." Ähnlich äußerte sich
Handwerkspräsident Dieter Philipp. (APA)