Fußball
Falter: The Untouchables
Die schwarze Sau, der blinde Hund und der gekaufte Ganove. Was Wiener Schiedsrichter über ihren Job, Bestechung und Jörg Haider denken
Wer keine Illusionen hat, dem kann man sie auch nicht zerstören. Gut 20
Jahre ist es her, dass sich Michael Kroismayer eines vormittags ins Hütteldorfer
Hanappi-Stadion einschlich, um der Rapid beim Training zuzuschauen und die
Tricks des alten Trainerfuchses Otto Baric auszuspionieren. (...)
"Der Krancjar ist zwanzig-, dreissigmal mit dem Ball am Fuß auf den im Strafraum wartenden Kienast zugelaufen und dann hat er sich hingelegt. Und zwar so, dass es wie ein klares Foul aussah. Die haben tatsächlich geübt, wie man Schwalben so produziert, dass der Schiri
Elfmeter pfeift! Und der Baric ist daneben gestanden und hat Instruktionen
gegeben!" (...)
"Man muss endlich einmal diese Ganoven von Schiedsrichtern, die offenbar
käuflich sind, nur weil Herr Stronach mit seiner Austria unbedingt gewinnen
muss, überprüfen". Mit dieser Äußerung, von sich gegeben Anfang dieses Monats im
Rahmen des FP-Landesparteitags in Wolfsberg, trat Jörg Haider,
Landeshauptmann und amtierender Präsident des Fussballvereins FC Kärnten, eine Welle der
Entrüstung los. (...)
Der Wirtshaustisch des "Sporttreffs Pachler", an dem sich Kroismayer den
Frust von der Schiriseele redet, steht am unteren Ende der Wiener Welt, im
südlichsten Süden des 23. Bezirkes, wo die Peripherie der Stadt gen
Niederösterreich ausfranst (...)
Der "Pachler" dient der Wiener Schiedrichter-Community als Austragungsort ihres alljährlichen Gesellschaftsschnapsens. Die Preise sind moderat, das Essen gut und die Sachpreise, die die Sponsoren springen haben lassen, können sich sehen
lassen (...)
Der letzte Fall von grober Pflichtverletzung auf europäischer Ebene nimmt sich denn auch eher komödiantisch als erntszunehmend aus. So kam vor zwei Jahren ein russisches Schiedsrichtertrio sturzbetrunken in Tel Aviv an, um
das UEFA-Cup-Match zwischen Maccabi Haifa und FC Brügge zu pfeifen (...)
Einer, der diese Geschichten nur allzu gut kennt, heisst Wolfgang Sowa und
spielt dort mit, wo alle, die im heimischen Schiedsrichterwesen etwas
anstreben, hinwollen. Sowa ist einer von sieben österreichischen Schiris, die ganz
oben stehen. Die äusserlichen Insignien dessen, was in dieser speziellen
Klientel ganz oben heisst, bestehen aus einem Wappen, auf dem in dicken Buchstaben
die Abkürzung des Weltfußballverbandes FIFA steht, einem
Bekanntheitsgrad, der in Schirikreisen dem eines Karl Moik bei Liebhabern
volkstümlicher Musik gleichkommt und eigenen Autogrammkarten (...)
Das Bild, das sich beim Hilfsschiedrichterkurs bietet, den der Wiener
Fussballverband (WFV) alljährlich ausrichtet, bestätigt den Spitzenschiri in seiner
These von der mangelnden Bereitwilligkeit junger Leute, Wochenende für
Wochenende im Stück "Fussballmatch" den Part der "Schwarzen Sau" zu geben. Jene
gut 40 Personen, die sich Samstag früh morgens im
Schulungszentrum des Verbands im Franz-Horr-Stadion in Favoriten eingefunden
haben, bilden das Fundament des Wiener Fussballs (...)
"Über Tatsachen lässt sich eben nicht streiten". Michael Kroismayer stärkt
sich noch schnell mit einem Schluck Bier. Gleich muss er sich wieder von
seinem Tisch erheben, im Sporttreff Pachler ist die nächste Runde im Spiel um
Schnapser, Bettler und Bauern angesagt. Die Kollegen, die sich rund um den Tisch
versammelt haben, nicken ernst. Und dann sagt einer: "Der Haider hat doch
keine Ahnung von Fussball. Ich kann doch niemand ernst nehmen, der mit dem
Spitz den Anstoss schiesst". (Autor: Klaus Stimeder)