Künstlerkollegen haben eine Schwäche für die Kultbühne im Kleinformat: Gerhard Rühm hat dem Kabinetttheater eben wieder ein neues Stück auf den Puppenleib geschrieben. Beim steirischen herbst wurde "goldene hochzeit" uraufgeführt, jetzt ist sie für einige wenige (!!) Aufführungen in Wien zu sehen.

Weiters: ein hoch pneumatisches Minidrama von Philipp Engelmann, "Gelbes Sofa", sowie die Neufassung des Kabinett-Klassikers "Die neugierigen alten Frauen" von Daniil Charms, mit Bühnenmusik von Olga Neuwirth, auch einer engen Freundin des Hauses, die die von H. C. Artmann 1994 für die Bühne geschriebene Mikrooper "Punch und Judy" vertont hat. Letztere wird übrigens auf drei Bühnen simultan gegeben. Zuletzt aber: Anselm Glücks "fast wär ich's nicht", verfasst für - das Kabinetttheater. Wer wissen will, woher die Zuneigung der Künstler rührt, überzeuge sich selbst:

Bis heute ist die Bühne mit ihrem Wissen um das Vokabular der Theaterkunst, ihrem verblüffenden puppenszenischen Erfindungsreichtum und nicht zuletzt ihrer handwerklichen Präzision die Flamme in der finsteren Wiener Theaternacht. Pilgergänge in die Porzellangasse zählen zu den wenigen sicheren Highlights der geschundenen Theaterbesucher-Existenz. Vorsicht: viel zu wenige Plätze! Und: Auch das Krippenspiel von Hugo Ball, alljährlich wieder zu selten, steht ab 8. Dezember auf dem rituell ausverkauften Spielplan. Also: vorbestellen! (cia)
Kabinetttheater, 9.,
Porzellangasse 49,
(01) 310 64 78,
19.30

Im Theaterbuch des Lebens lesen

Die Wünsche des designierten Josefstadt-Direktors Hans Gratzer gehen schrecklich schnell in Erfüllung. Letzte Woche ließ er die Attribute künftiger Sparbühnenbilder in einem Punkteplan via News fallen. Es scheint jetzt, als eilte Renate Rieder mit ihrer Arbeit für die Kammerspielpremiere dem Plan gehorsam voraus. Ihr Buch-Bühnenbild ist - so wie Gratzer es meinte - "variabel einsetzbar, zusammenklappbar und für Tourneen transportabel".

So beginnen auf den bunt bemalten, aber leider falsch paginierten Seiten 47 und 48 (?) die Eheanbahnungen der "Heiratsvermittlerin" Miss Dolly Levine. Unter der Vorgabe, ihm die reichsten Frauen New Yorks zu verschaffen, macht sich die Kupplerin selbst an den Geschäftsmann Mr Vandergelder heran. In der Theaterversion des Musicals "Hello, Dolly" von Thornton Wilder spielen in der Regie Attila Lángs Gabriele Jacoby und Rudolf Buczolich nunmehr mit dem Rücken zum Buch. Man gibt sich dabei der Illusion hin, die real existierenden Requisiten im Vordergrund seien geradewegs aus den Buchseiten gepurzelt. Wir lesen im Buch des Lebens? Schade um das linkische und nicht zu sprühende Spiel Gabriele Jacobys. (afze) Kammerspiele, 1., Roten-
turmstraße, Karten: (01)
427 00-300. 16. 11.
20.00 (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.11. 2001)