Sein Prinzip heißt Krieg. Kein Kommandeur hat in Afghanistan wohl häufiger die Fron- ten gewechselt als Rashid Dostum, der Usbeken-General, der seit dem Wochenende wieder in Mazar-e Sharif herrscht, seiner selbst erwählten Hochburg im Norden des Landes: von den Sowjets zu den Mudjahedin, später vom Bündnispartner des Präsidenten Burhanuddin Rabbani zum Komplotteur im Verein mit den Truppen des Fundamental-Sunniten Gulbuddin Hekmatyar. Nun steht Dostum wieder an der Seite der Exilregierung - und Mazar-e Sharif hat seinen Dschingis Khan zurück. Denn Dostums Grausamkeit ist legendär. Der pakistanische Journalist Ahmed Rashid berichtete einmal von einem Besuch auf Dostums Burg in Mazar-e Sharif, einer Festung aus dem 19. Jahrhundert, in der dieser seine Gäste empfing und beim Whiskey von Kriegstaten schwärmte: "Im übel riechenden Hof waren Fleischteile und Blutspuren. Ich fragte die Wachen unschuldig, ob sie gerade eine Ziege geschlachtet hätten. Sie antworteten mir, Dostum hätte eine Stunde zuvor einen seiner Soldaten wegen Diebstahls bestraft. Das Opfer war an die Ketten eines Panzers angebunden worden, und unter Dostums Augen war der Panzer im Hof im Kreis gefahren, bis von dem Soldaten nur zerhacktes Fleisch übrig blieb." Geld und Macht motivieren Dostum, erklärte der frühere Chef des pakistanischen Geheimdienstes, Hamid Gul. In zwei Jahrzehnten Krieg stand der heute 47-jährige General auf den Soldlisten praktisch aller Staaten der Region. Dasselbe gilt für seine Truppen, die der bullige Kommandeur zuletzt mit 15.000 bezifferte, seine "Partner" in der Nord- allianz aber allenfalls halb so hoch ansetzen. Dostum, 1955 in einer usbekischen Bauernfamilie geboren, schloss sich jung der Kommunistischen Partei Afghanistans an. Mit 23 befehligte er schon eine Panzereinheit; militärisch ausgebildet in der Sowjetunion, aber des Lesens und Schreibens lange kaum mächtig, übernahm Dostum beim Einmarsch der sowjetischen Truppen die Führung einer 20.000 Mann starken, prokommunistischen Miliz, die bei den Mudjahedin gefürchtet war. 1991 wurde er noch als "Held der Republik" ausgezeichnet - da bereitete Dostum schon seinen ersten Frontwechsel vor: Nach dem Abzug der Sowjets aus Afghanistan 1988/89 schloss er sich den islamischen Widerstandskämpfern an und beschleunigte so den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Kabul. Dostum sicherte sich nach dem Wechsel zu Rabbani und den Mudjahedin einen breiten Landstrich im Norden Afghanistans mit Mazar-e Sharif als Hauptstadt und wurde zweimal vertrieben. Seinen dritten Einzug in die Stadt erreichte er mithilfe der USA. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 13.11.2001)