Pharmakonzerne müssen zukünftig in Ausnahmefällen Einschnitte in das Patentrecht akzeptieren. Das ist ein Ergebnis der Welthandelstagung in Katar. Ein bedeutender Schritt, dessen Auswirkungen weit gehen können. Jahrelange Streitereien bis hin zu Klagen vor dem WTO-Schiedsgericht haben Länder wie Indien, Brasilien oder Südafrika bisher mit der globalen Pharmaindustrie ausgefochten. Anlassfälle gibt es millionenfach: Die Staaten der unterentwickelten Welt fordern seit Jahren zu Recht günstigen Zugang zu Aidspräparaten für Millionen von HIV-infizierten Menschen. Die Chemie- und Pharmagiganten, ob aus den USA, der Schweiz oder Deutschland, verweisen ebenfalls zu Recht auf ihre Milliardenausgaben zur Entwicklung dieser neuer Präparate und klagen gegen jeden Versuch, den Patentschutz aufzuweichen. Doch simple Kostenrechnung greift hier zu kurz: Die Kranken und Sterbenden in Südafrika, Uganda und Kenia werden den Konzernen nie zu großen Gewinnen verhelfen können. Der Profit kommt für die Industrie aus den Kosmetikbereichen in Europa, Japan und den USA. Durchaus gerecht wäre es da, wenn die Ausgaben für Aidsmedikamente in der Dritten Welt durch die hohen Gewinne derselben Konzerne in den Industriestaaten "quersubventioniert" oder Hightech-Medikamente Teil der öffentlichen Entwicklungshilfe würden. Die Dritte Welt fordert nicht, den Patentschutz gänzlich auszuhebeln. Darüber hat nur die Bush-Administration angesichts von Milzbrandfällen in den USA laut nachgedacht. Die von der WTO nun angekündigten lizenzrechtlichen Ausnahmen für epidemische Notfälle wie in Südafrika, wo nach offiziellen Schätzungen bis 2010 sieben Millionen Menschen an Aids sterben werden, sind aber gerechtfertigt. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 13.11.2001)