Wien - Die Wiener Stadtzeitung "Falter" wird am Mittwoch im Internet einen Bericht eines Experten-Komitees veröffentlichen, der auf 145 Seiten gravierende Missstände im österreichischen Strafvollzug auflisten soll. Das Justizministerium hatte die Kommission nach einer Selbstmordserie und angeblich menschenrechtswidrigen Vorkommnissen in der Justizanstalt Stein eingesetzt und mit einer Untersuchung betraut. Die insgesamt 22 Experten hatten zwei Monate recherchiert, ihre Ergebnisse sollten der Öffentlichkeit und dem Parlament vorenthalten werden, behauptet der "Falter" am Dienstag in einer Aussendung. Bericht für Böhmdorfer "zu kritisch" Justizminister Dieter Böhmdorfer habe ein Pressegespräch, bei dem der Bericht präsentiert werden sollte, kurzfristig abgesagt, weil er "zu kritisch" ausgefallen sei, schreibt das Blatt. Dem Parlament sei das Dokument "aus datenschutzrechtlichen Gründen" nicht übermittelt worden, heißt es weiter. Aus dem Ministerium war dazu am Dienstag vorerst keine Stellungnahme zu erhalten: Der zuständige Sektionschef befindet sich im Urlaub, sein Stellvertreter verwies auf die Pressestelle. Der Pressesprecher befinde sich "auswärts", er werde am Nachmittag zurückrufen, versprach die Vorzimmerdame. "Mich hätte auch interessiert, was da drinnen steht" Offensichtlich haben selbst die betroffenen Justizanstalten bisher keine Kenntnis davon, was in dem Bericht steht. So wird in dem Papier unter anderem die Justizanstalt Wien-Josefstadt erwähnt, wobei "Überbelag, reduzierte Effizienz der Krisenbewältigung und unzureichende Ausstattung" kritisiert werden. "Mich hätte auch interessiert, was da drinnen steht. Ich würde ja gern wissen, was die Expertenkommission empfiehlt", meinte Hofrat Friedrich Nowak, der seit fünf Jahren das größte Wiener Gefängnis leitet, am Dienstag. Er habe allerdings keine Stellungnahme des Justizministeriums erhalten, selbst Versuche, sich "extern" Informationen zu beschaffen, hätten nichts erbracht. Nowak wundert sich etwa, was mit "unzureichender Ausstattung" konkret gemeint sein könnte. Dass zu viele Häftlinge im so genannten Landl "dunsten", stellt der Anstaltsleiter gar nicht in Abrede: Sein "Haus" sei das einzige Gerichtshofgefängnis der Bundeshauptstadt, und seit einer mit 1. Juli in Kraft getretenen Gesetzesnovelle müssten zusätzlich "junge Erwachsene" - für die nunmehr an sich der Jugendgerichtshof zuständig ist - aufgenommen werden. Psychologische Betreuung Über die Versorgung mit medizinischem Personal wollte sich Nowak nicht beklagen: Auf derzeit 1.100 Häftlinge kommen immerhin fünf Anstalts-Psychologen und vier Psychiater. Anders sieht die Situation hingegen in der Justizanstalt Korneuburg aus, wo es laut Experten-Bericht nur acht Stunden psychiatrischen Dienst pro Monat geben soll. In Wiener Neustadt existiert demnach gar kein psychologischer Dienst. Die größten Probleme soll es dem dem "Falter" vorliegenden Papier zufolge aber in den größten Strafvollzugsanstalten Stein, Karlau und Garsten geben. Diese seien "personell unzureichend dotiert", eine entsprechende Behandlung für psychisch auffällige Häftlinge könne nur "in beschränktem Ausmaß" vorgenommen werden. (APA)