Wien - "Wir haben bereits in mehreren Kriegen erlebt, dass die militärische Sache schneller läuft als die politische. Besser so als umgekehrt", kommentierte am Dienstag die amerikanische Sicherheitsexpertin Edwina Campbell bei einem Pressegespräch in Wien die jüngsten Entwicklungen in Afghanistan. Nun, da "die Städte erobert sind", gebe sei vielleicht eine Kampfpause während des islamischen Fastenmonats Ramadan: "Es wäre schön, wenn wir uns das leisten könnten." Campbell wünscht sich weiter, dass Europa zu einer "Weltmacht" wird: "Mir ist eine fähige EU, die auch Streitigkeiten mit den USA hat, lieber als eine schwache". Campbell: "Keine andere Möglichkeit für USA" Campbell betonte, dass die USA bei ihrer Militäraktion "sehr viel Geld ausgeben, um Kollateralschäden zu vermeiden", ganz im Gegensatz zu den Terroristen. Diese hätten das World Trade Center ja auch an einem Samstag morgen und nicht an einem Werktag angreifen können, gab die Professorin an der Nationalen Verteidigungsuniversität in Washington zu bedenken. Die Amerikaner hätten "so wie die Juden in Nazi-Deutschland" keine andere Wahl gehabt, als auf die Terroranschläge vom 11. September zu reagieren. Denn auch wenn die USA den Konflikt im Nahen Osten lösen könnten, "stünden wir in den Augen der Terroristen immer noch als Feinde da". Es gebe nämlich einen Unterschied zwischen dem Terrorismus als Mittel zur Erreichung politischer Ziele (wie in Nordirland, Spanien oder Palästina) und dem Terrorismus als Ziel an sich. Auch die Gründungsväter der USA hätten die Briten "terrorisiert", um die Unabhängigkeit zu erlangen. US-Sicherheitsexpertin für "Weltmacht Europa" Der Konflikt im Nahen Osten ist nach Ansicht Campbells nur zu lösen, wenn die USA und Europa gemeinsam als Vermittler auftreten, um Israel und den Palästinensern klar zu machen, "dass wir eine akzeptable Lösung für beide Seiten wollen". Während nämlich die USA als Freund Israels gelten, hätten die Europäer das umgekehrte Problem. Campbell sprach sich auch für eine Stärkung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU aus: "Es wäre begrüßenswert, wenn Europa eine Weltmacht würde." Eine solche Entwicklung würde aber auch einen "Umdenkprozess" in den USA erfordern, räumte Campbell ein. Diese müssten den Europäern mehr Mitentscheidungsrechte in sicherheitspolitischen Fragen geben. "Mir ist eine fähige EU, die manchmal Streitigkeiten mit den USA hat, lieber als eine schwache", betonte die ehemalige Diplomatin und Politikberaterin. Allerdings gebe es unter den europäischen Staaten bis jetzt immer noch große Auffassungsunterschiede über die Rolle, die Europa in der Welt spielen sollte. Bürgerrechte nicht beschnitten Campbell äußerte ihre Hoffnung, dass die amerikanische Regierung nach der "gemeinsamen Erfahrung" im Kampf gegen den Terror nun stärker auf den Multilateralismus setzen werde. Für ein großes Land wie die USA sei es schwer anzuerkennen, dass es von der internationalen Zusammenarbeit profitiere. Seit den Terroranschlägen sehe man in Washington aber, dass die NATO- und UNO-Mitgliedschaft doch Vorteile bringe. Zum Konflikt zwischen der EU und den USA über die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls erinnerte Campbell daran, dass es in den 70er Jahren die Amerikaner gewesen seien, die die Europäer "ohne Erfolg von der Wichtigkeit von Umweltfragen zu überzeugen" versucht hätten. Auf die Frage, ob sie wegen der Terrorangst eine Einschränkung der Bürgerrechte in den USA befürchte, meinte Campbell, dass man diesmal ohnehin "weit weniger reagiert" habe als in früheren Kriegen. Der damalige US-Präsident Abraham Lincoln habe etwa während des amerikanischen Bürgerkriegs das Habeas Corpus Gesetz aufgehoben, und im Zweiten Weltkrieg seien Amerikaner japanischer Abstammung interniert worden. (APA)