Eine "bloße Internettruppe" sei die so genannte "Albanische Volksarmee", konnte man noch vor vierzehn Tagen von Nato-Aufklärungsoffizieren im Kosovo hören. Journalisten, die sich beim US State Department nach der mysteriösen Guerilla erkundigten, wurde beschieden, es handele sich um eine "Splittergruppe", über die man nichts weiter sagen könne.

Dabei hat die AKSh, wie sie sich albanisch abkürzt, in den letzten Monaten eine deutliche Blutspur hinterlassen. Am Sonntagabend übernahm sie die Verantwortung für einen Anschlag auf mazedonische Polizisten, von denen drei ums Leben kamen. Gestern, Dienstag, bekannte sie sich auch zu den mehreren Dutzend Geiselnahmen vom Sonntag und Montag. Ähnlich wie die AKSh haben auch die beiden "U¸CKs" im Kosovo und in Mazedonien begonnen: mit Terroranschlägen, gefaxten Pressekommuniqués, allgemeinem Rätselraten über ihre Organisationsstruktur. Anders als die U¸CK im Kosovo und in Mazedonien drängen die einfachen Kämpfer weniger stark in die Öffentlichkeit - eines der inzwischen 14 Kommuniqués verbietet Pressekontakte ausdrücklich.

Zu erkennen gibt sich allein Alban Berisha, der "Chef des Informationsdienstes beim Generalstab", ein Mann von Mitte 30, der angibt aus Mazedonien zu stammen. Berisha hat der Kosovo-Zeitung Koha ditore und dem mazedonisch-albanischen Magazin Globi je ein wenig aussagekräftiges Interview gegeben. Was Berisha über die Geschichte der Formation erzählt, deckt sich mit den spärlichen unabhängigen Informationen: Gegründet worden sei die "Albanische Nationalarmee" im November oder Dezember 1999 von enttäuschten Kosovo-Kämpfern. Tatsächlich trat eine AKSh erstmals im Frühjahr 2000 mit einem Anschlag auf eine Polizeistreife öffentlich auf.

Erst mit dem Ende des offenen Konflikts in Mazedonien im August meldete die ältere AKSh sich wieder. In Südserbien erschoss sie zwei Polizisten, im Kosovo nahmen Kfor-Soldaten sechzehn Uniformierte fest, die sie als AKSh-Angehörige identifizierten. Als die Parteien in Skopje gerade im Begriff waren, sich zu einigen, erschütterte ein Anschlag auf einen Militärlaster auf der Autobahn zwischen Skopje und Tetovo das Land. Zehn Soldaten kamen um. Wieder übernahm die AKSh die Verantwortung. Als das Abkommen trotzdem zustande kam, erließ die Guerilla einen Aufruf an alle U¸CK-Kämpfer, weiterzumachen und sich ihr anzuschließen.

Kein Phantom

"Die AKSh wächst langsam", so der deutsche Albanien-Experte Stefan Lipsius. Er hat sich mit Berisha getroffen und bestätigt, dass die AKSh "sicher kein Phantom" sei. Alles gehe "sehr konspirativ" zu; Berisha pendle zwischen Pristina, Skopje, Deutschland und der Schweiz, um finanzielle Kanäle zu sichern. Nach den Recherchen des Kasseler Politologen hat die AKSh zwei ideologische Wurzeln: eine "rechte" und eine "linke". Anders als die beiden U¸CKs tritt sie offen für die "Vereinigung aller albanischen Länder" ein und benennt die Staaten, in denen Albaner leben, bloß als "Zonen".

Zum "linken" Lager gehören die beiden U¸CKs im Kosovo und in Mazedonien sowie ihre Nachfolgeparteien, aber auch die in nationalen Fragen sehr moderaten Sozialisten in Albanien, zum "rechten" Albaniens Expräsident Sali Berisha, aber auch Ibrahim Rugova im Kosovo und Arben Xhaferri in Mazedonien. Beide Fraktionen sind inzwischen tief gespalten.

Über die Zahl der Kämpfer gibt es keine zuverlässigen Informationen. Aber wenn die Lage in Mazedonien so gespannt bleibt wie zurzeit, haben solche Zahlen keine lange Haltbarkeit: Auch die Kosovo-U¸CK wuchs Ende Februar 1998 praktisch über Nacht von einer kleinen, elitären Terrortruppe mit maoistischen Flausen zu einer Massenbewegung. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2001)