Brüssel/Wien - "Österreich gehört, wie wir gerade auf der Konferenz Geschlechterdimension in der Forschung in Brüssel gesehen haben, bei der Gleichstellung von Wissenschafterinnen zu den Schlusslichtern", berichten Ilse König und Anni Haidar vom Bildungsministerium dem Standard . Auf EU-Ebene jedoch habe der 1999 gestartete Aktionsplan zur Förderung der Gleichstellung in der Wissenschaft bereits einiges in Bewegung gesetzt. So säßen heute bereits wesentlich mehr Frauen in den Brüsseler Beratungs- und Evaluierungsgremien als je zuvor. Aktionsplan greift Der Aktionsplan, der noch von Forschungskommissarin Edith Cresson ins Leben gerufen wurde, beruht auf zwei Säulen: dem Politischen Forum und dem Gender Watch System. Das Politische Forum besteht aus zwei Sachverständigengruppen: aus dem Wissenschafterinnen-Netzwerk ETAN (European Technology Assessment Network) und aus der Helsinki-Gruppe - BeamtInnen, die in den einzelnen Ländern mit der Einbindung von Frauen in die Wissenschaft befasst sind. Alle drei Gruppen erstellen seit 1999 umfangreiche Lageberichte und erteilen forschungspolitische Empfehlungen, um das Potenzial der Frauen für die europäische Forschung nutzbar zu machen.. "Zentraler Teil der heurigen Konferenz waren die Berichte des Gender Watch System", bilanziert König. Sie zeigten auf, dass die Zielvorgaben für das 5. Rahmenprogramm (RP) nicht erreicht wurden. Statt der angepeilten 40 Prozent Wissenschafterinnen wurden nur zwischen 22 und 30 Prozent in die Kontroll-, Beratungs- und Begutachtungsgremien eingebunden. Im Vergleich zu den sechs Prozent des 4. Rahmenprogramms ist das dennoch ein großer Fortschritt. Auch der neu errichtete Europäische Forschungsbeirat (EURAB) besteht heute zu 31 Prozent aus Frauen, während es zuvor null bis acht Prozent waren. Was König und Haidar, die im Bildungsministerium mit dem Thema Gender-Mainstreaming befasst sind, in den Berichten besonders auffiel, war die mit elf bis 20 Prozent noch immer unzureichende Beteiligung von Frauen an Forschungsprojekten. Ein "besonders pikantes" Beispiel sei das Programm "Lebensqualität" mit nur 14-18 Prozent Frauen, ein Bereich, der unbestritten für beide Geschlechter gleich bedeutend sei. Haidar: "Die EU muss bei ihren Projektausschreibungen in Zukunft die Frauen direkt ansprechen. Wie die Erfahrung zeigt, beteiligen sie sich dann auch und sind genauso erfolgreich wie die Männer." Sanktionen Ein weiteres Ziel: In die Forschungsprogramme müssen noch wesentlich mehr genderspezifische Themen und Formulierungen eingebaut werden. Geschehe dies nicht, sei das bei der Evaluierung als Minuspunkt zu werten. "Diese Vorgangsweise fordern wir auch für Österreich, wo es bis jetzt noch überhaupt keine Richtlinien für die Bewertung von Forschungsprojekten gibt", sagt König, "denn ohne Sanktionen dauert der Fortschritt einfach zu lange." (DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2001)