Wirtschaft
Siemens trotz Gewinneinbruchs verhalten optimistisch
Mehrere Sorgenkinder, dennoch kein weiterer Stellenabbau geplant
München - Nach einem massiven Gewinneinbruch im
abgelaufenen Geschäftsjahr setzt der deutsche Elektronik-Riese
Siemens die Hoffnungen auf den eingeleiteten Umbau seiner
verlustreichen Hightech-Bereiche. "Unter den gegebenen Umständen
haben wir gar nicht so schlecht abgeschnitten", sagte Siemens-Chef
Heinrich von Pierer am Mittwoch in München. Der Konzern habe sich im
Geschäftsjahr 2000/01 (per 30. September) dank seiner breiten
Aufstellung besser geschlagen als viele Konkurrenten. Im vierten
Quartal musste der Konzern vor allem wegen hoher
Restrukturierungskosten aber einen Milliardenverlust hinnehmen.
Milliardenverlust im Quartal
Der Nettoverlust im vierten Quartal belief sich auf knapp 1,1 Mrd.
Euro (rund 15 Mrd. S), im Vorjahreszeitraum war noch ein Gewinn von
562 Mill. Euro erzielt worden. Gerade im vierten Quartal hätten
Restrukturierungskosten und Sonderabschreibungen von 959 Mill. Euro
das Ergebnis belastet, so dass Siemens vor Steuern, Zinsen und
Abschreibungen (EBITA) und ohne die defizitäre Infineon AG einen
Verlust von 130 Mill. Euro verbucht habe, teilte das Unternehmen mit.
Die 50,4-prozentige Tochter Infineon schlug mit einem operativen
Verlust von 882 Mill. Euro bei Siemens zu Buche.
Der Konzern halte an den Plänen fest, die Mehrheit an Infineon
abzugeben und mittelfristig ganz aussteigen, sagte Finanzchef
Heinz-Joachim Neubürger in einer Telefonkonferenz. Einen Zeitpunkt
nannte er allerdings nicht. Infineon betreibt eine Chip-Fabrik in
Villach (Kärnten).
Gewinneinbruch
Im Gesamtjahr 2000/01 brach der Gewinn von 8,9 auf 2,1 Mrd. Euro
ein. Allerdings profitierte der Siemens-Konzern in beiden Jahren von
milliardenschweren Sondererträgen. Im Geschäftsjahr 1999/2000 hatten
sich diese vor allem wegen der Übertragung von Infineon-Anteilen auf
einen Siemens-Pensionsfonds auf 2 Mrd. Euro belaufen. Angesichts der Konjunkturflaute hielt sich Siemens nach
Einschätzung von Branchenkennern im laufenden Geschäft gut. Das
operative Ergebnis vor allen Sondereffekten und Abschreibungen sowie
ohne Infineon legte von 2,8 auf 3,2 Mrd. Euro zu. Der Konzernumsatz
ohne Infineon stieg um 15 Prozent auf 82,3 Mrd. Euro. Mit der
Halbleiter-Tochter wuchsen die Erlöse um 12 Prozent auf 87 Mrd. Euro.
Dividende unverändert
"Mit diesen Eckdaten haben wir ein Geschäftsjahr abgeschlossen,
das sich vor allem in den letzten beiden Quartalen als erheblich
schwieriger herausgestellt hat als wir ursprünglich erwartet hatten",
sagte von Pierer. Dennoch will Siemens eine unveränderte Dividende
von einem Euro je Aktie für 2000/2001 zahlen. Der Siemens-Aktienkurs
sprang am Mittwoch um zeitweise 8 Prozent auf 62,45 Euro in die Höhe.
Stellenabbau
In den vergangenen Monaten hatte Siemens einschließlich Infineon
den Abbau von etwa 22.000 Stellen angekündigt, der Großteil davon in
der Netzwerksparte ICN und im Handybereich ICM. Darüber hinaus
gehende Streichungen seien derzeit nicht geplant, sagte Pierer.
Ein Ausblick auf das laufende Jahr sei auch wegen der ungewissen
Folgen der Terroranschläge schwierig, sagte Pierer. Die operativen
Ergebnisse sollten sich aber wegen der Restrukturierung der
Telekommunikationssparten verbessern. Zudem gebe es beispielsweise im
Handymarkt erste Anzeichen für eine leichte Erholung. Finanzchef
Heinz-Joachim Neubürger sagte allerdings, auch im laufenden
Geschäftsjahr seien weitere Restrukturierungskosten möglich.
Sorgenkinder
Ein Teil der Einbußen sei auf die konjunkturellen Entwicklungen
zurückzuführen, sagte Pierer. "Es gibt aber auch einzelne Probleme,
wo wir selber Fehler gemacht haben." Als Beispiel nannte er den
Siemens IT-Dienstleister SBS, bei dem Rückstellungen für drohende
Verluste im Zusammenhang mit Großaufträgen gemacht werden mussten.
SBS-Chef Friedrich Fröschl räumt seinen Posten und wird neuer "Chief
Information Offiecer" des Konzerns.
Im operativen Geschäft gab es bei Siemens im abgelaufenen
Geschäftsjahr gleich mehrere Sorgenkinder. So erzielte die
Netzwerksparte ICN unter anderem wegen hoher Sanierungskosten einen
EBITA-Verlust von 861 Mill. Euro. In der Mobilfunksparte ICM betrug
das Minus 307 Mill. Euro. Hier sieht Pierer aber deutliche
Fortschritte. Auch der Logistik-Spezialist Siemens Dematic und die
Automobil-Sparte Siemens VDO erzielten Verluste. Gute Ergebnisse
vorweisen konnten dagegen unter anderem die Medizintechnik, die
Licht-Tochter Osram und der Energie-Bereich. (APA/dpa/Reuters)