Wien- Die EU-Abgeordnete Ursula Stenzel (VP) hat sich am Mittwoch in einem dramatischen Appell an die Öffentlichkeit gewandt und davor gewarnt, mit einer bedingungslosen Blockade des Atomkraftwerkes Temelín nicht "die totale Isolierung Österreichs in Europa" zu riskieren: "Die Abschaltung ist nicht erreichbar. Wir werden es nicht erzwingen." Hingegen müsse "jetzt alles getan werden, damit der Melker Prozess zu Ende geführt wird" und die sieben Sicherheitsfragen gelöst werden. Nur das sei machbar, und verantwortliche Politiker müssten sich daran orientieren, was "das für Österreich bestmögliche Ergebnis ist".

Gerade im europäischen Zusammenhang mit Temelín müsse man "die Wirklichkeit sehen". Die bestehe darin, dass bei einer totalen Verweigerungshaltung Österreichs gegenüber Tschechien "die gesamte Erweiterungsstrategie der Union auf dem Spiel steht. Wir sind da total isoliert", warnte Stenzel. Auch EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen habe sich sehr besorgt gezeigt, "dass ein Teil der österreichischen Politik und der Öffentlichkeit eine Lösung der Temelín-Frage (nur) mit dem Nicht-ans-Netz-Gehen gleichsetzt".


"Bereits aufgegeben"

In Österreich warf der Wiener FP-Klubobmann Hilmar Kabas der Bundesregierung und speziell Minister Wilhelm Molterer vor, "den Standpunkt Österreichs bereits aufgegeben" zu haben. Der grüne Bundesrat Stefan Schennach übte ebenfalls heftige Kritik: "Molterer will die Positionen nicht akzeptieren, die in den Bundesländern, vor allem in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg formuliert wird. Dort haben die Landeshauptleute festgehalten, dass nicht die Nachsicherung in Temelín, sondern der Ausstieg Tschechiens Ziel unserer Bemühungen sein muss." Dafür müsse es aber finanzielle Hilfen geben, die Schennach im Rahmen der EU nicht sieht: "Hier haben sich eindeutig die Lobbyisten der Atomwirtschaft durchgesetzt."

SPÖ, Grüne sowie die Umweltorganisationen Global 2000 und Greenpeace kritisieren neben der Vetolinie der FPÖ nun auch den Entschließungsantrag der Regierung zu Temlín. Als "gravierendste Schwachstelle" führt die grüne Umweltsprecherin Eva Glawischnig an, dass ein Ausstiegsszenario kein erklärtes Ziel der Regierung mehr sei. Zustimmen könnten die Grünen nur "bei massiver Nachbesserung: Neben realistischen Ausstiegsvarianten bedeutet das auch die Schaffung höchster Sicherheitsstandards." (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 14.11.2001)