Wien - Da staunte die Inhaberin der Werbeagentur "Balloonpoint Austria" nicht schlecht: Sie sollte für eine Werbeaktion, die sie für einen Kunden abwickelte, an die Gewista - mehrheitlich im Eigentum des französischen Plakatwerbers Decaux - fast zwanzigtausend Schilling zahlen. Das Unglaubliche: Der Gewista-Zahlschein wurde ihr offiziell beim Magistrat der Stadt überreicht. Irene Zahrl war empört: "Wieso soll ich einer privaten Werbefirma Geld zahlen, wenn ich für Kunden auf dem Gehsteig einen Werbestand aufbaue?"

Der STANDARD, dem sämtliche Dokumente des Vorfalls vorliegen, begab sich auf eine komplizierte Suche nach der Klärung eines Umstands, der nicht sein darf.

Die Einhebung der Gebühr ist im Gebrauchsabgabengesetz geregelt - die Berechnung der Gebührenhöhe erfolgte korrekt (100 Schilling pro Quadratmeter und Tag für den Werbestand). Jedoch regelt das Gesetz in Paragraph 17 auch die Zuständigkeit, und darin steht, dass "die Gemeinde (. . .) ihre Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen" habe.

Die Nachfrage beim Kontrollamt bestätigt: Es gibt keine Grundlage dafür, dass die Gemeinde Inkassoaufgaben an Privatfirmen delegiert - "Das ist rechtlich nicht gedeckt. Nach gängiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist es nicht möglich, dass die Verwaltung diese Aufgaben ausgliedert", gibt Kontrollamtssprecher Rudolf Gerlich Auskunft.

Warum, weiß niemand

Zuständig für die Einhebung der Gebrauchsabgabe ist das Büro von SP-Stadtrat Rudolf Schicker (MA 46G). Seine Beamten wussten zwar über den Inkassoauftrag an die Gewista Bescheid - warum das so praktiziert werde, konnte dort aber niemand erklären.

Ebenso wenig bei der Firma Gewista. Auch dort wird das Kassieren der Magistratsgebühren als ganz selbstverständlich bestätigt: "Das war schon immer so." Man bekomme aber nichts dafür, wird betont, die Gebühren werden "eins zu eins dem Magistrat weiterverrechnet".

Völlig erstaunt zeigte man sich nach der STANDARD-Anfrage im Büro von Finanzstadtrat Sepp Rieder (SP): "Das kann ich mir nicht vorstellen", so eine erste Reaktion seines Pressesprechers Norbert Kettner.

Nach Nachforschungen konnte er aber immerhin erklären, wie der rechtswidrige Inkassoauftrag zustande kam: Durch einen Uraltvertrag aus dem Jahre 1969 übertrug der Magistrat der damals stadteigenen Gewista die Einhebung der Gebühr. Die Gewista ist jetzt privatisiert, der Vertrag wurde nie aufgelöst.

Jetzt hat man es dafür umso eiliger, diese Ungesetzlichkeit abzustellen: "Ab sofort gibt es diese Erlagscheine nicht mehr, die Gewista kassiert keine Gebühren mehr für uns", kalmiert Kettner. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 14.11.2001)