Der steirische Landesrat Pöltl hat im Zuge des
Schweinemastskandals „fahrlässig“ und vorzeitig
die Öffentlichkeit und womöglich verdächtige
Bauern vorgewarnt. Objektiv. Subjektiv sei er
sich dessen nicht bewusst gewesen, sagte der
Grazer Richter. Also: Freispruch.
Graz - „Herr Rat: nie und nimmer.“ Keine Sekunde habe er an die Folgen seiner Presse
aussendung gedacht und schon gar nicht daran, dass er damit verdächtige Bauern hät
te warnen können. Er saß da, versunken in einer irgendwie mitleiderregenden „Ich kann
ja keiner Fliege was zu Leide tun“-Haltung, und sein bekanntes schelmisches Blitzen
in den Augen wollte erst wie
der auftauchen, als Richter
Helmut Bourcard den Freispruch verkündete.
„Ja, ja“, erleichtert sei er
schon, und so bald werde er eine derartige Meldung auch
nicht mehr losschicken. „Ich werde mich jetzt zurückhal
ten“, bemerkte der steirische VP-Agrarlandesrat Erich Pöltl
beim Verlassen des großen Schwurgerichtssaales Donnerstagmittag im Grazer Landesgericht.
Freispruch mit Schönheitsfehler
Der Freispruch hatte einen
Schönheitsfehler. Der Richter
hatte nämlich befunden, dass
der Tatbestand der Verletzung
des Amtsgeheimnisses objektiv durchaus erfüllt sei. Nicht
aber subjektiv. Er glaube dem
Politiker, dass er es quasi
nicht absichtlich getan habe.
Genau das Gegenteil hatte
Staatsanwalt Johannes
Winklhofer zuvor detailreich
und engagiert zu belegen versucht.
Pöltl habe aus „kaltem politischen Kalkül“ - immerhin
fanden zehn Tage später
Landeskammerwahlen statt -
im Jänner dieses Jahres eine
vertrauliche Information über
bevorstehende Razzien im
Zusammenhang mit dem von
den „Vier Pfoten“ aufgedeck
ten Tierarzneimittel-Skandal
veröffentlicht. Einen Tag bevor bei verdächtigten Bauern
Durchsuchungen angeordnet
waren. Pöltl sei ein „Politiker
bis in die Knochen“, versiert,
und er wisse genau, was er tue.
Winklhofer, selbst Hobby
landwirt: „Er hat aus rein politischen Überlegungen und mit
verblüffender Kaltblütigkeit
Verrat begangen. Er hat gewusst, welche Büchse er öffnet, indem er über die Austria
Presse Agentur die Mitteilung verbreiten ließ, dass umgehend gegen Bauern vorgegan
gen werde. Die Bauern mussten gewarnt sein.“
Presseaussendung nicht wirklich abschätzen können
Pöltls Entschuldigung, er
habe die Auswirkungen seiner
Presseaussendung nicht
wirklich abschätzen können,
„spotte der Intelligenz dieses
Mannes, der nicht ein kleiner
Beamter, sondern der Minister
eines Bundeslandes ist und
somit strafrechtlich betrachtet
auch der höchste Beamte des
Landes“.
Pöltl wollte vor Gericht den
Zusammenhang und die möglichen Konsequenzen seiner
Presseaussendung partout
nicht sehen. Der Landesrat:
„Ich wollte nur im Sinne des
Konsumentenschutzes eine
offensive Informationspolitik
betreiben.“ Er sei seit der BSE-Krise immer unter medialem
Druck gestanden, ihm sei vor
geworfen worden, dass Politiker Skandale vertuschten, daher habe er rasch gehandelt und die Öffentlichkeit vom
Vorgehen informiert.
Winklhofer: „Aber Kontrollen haben doch nur Sinn,
wenn sie unangekündigt gemacht werden.“ Pöltl: „Ich
wollte nur im Sinne des
Konsumentenschutzes...“
Razien
Freilich, die Spitzenbeamten der Veterinärbehörde hat
ten sich zumindest gewundert, als sie auf der Heimfahrt
von den bevorstehenden Razzien hörten, nachdem sie die
se Minuten vorher unterstrenger Verschwiegenheit
geplant hatten. Wie ein Beamter vor Gericht erzählte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hatte Donnerstag
nachmittag zum Urteil noch keine Meinung abgegeben. (Walter Müller, DER STANDARD Print-Ausgabe 16.November 2001)