Ein Glück, dass sich "dicke Socken" auf "Rotkraut brocken" reimt - so kann uns ein Tiefkühlnahrungsproduzent via TV-Werbespot davon informieren, dass dieses Gemüse im Winter Hochsaison hat.

Dieses Gemüse? Richtiger wäre: diese Gemüsefamilie, denn Rotkraut ist nur eines von vielen Kohlgewächsen. Wie keine andere Pflanzenart fällt Kohl durch zahlreiche unterschiedliche Zuchtformen auf. (Nur im Tierreich lässt sich dazu ein Pendant finden, nämlich der Hund mit seinen unzähligen Rassen.)

Über die Herkunft des Kohls gibt es selbst in den Lehrbüchern viele verschiedene Meinungen; einig ist man sich nur darüber, dass es sich ursprünglich um eine Salz liebende Küstenpflanze handelte. Nachgewiesen wurden erste Gartensorten im antiken Griechenland; in unseren Breiten taucht Kopf-Kohl erstmals im 12. Jahrhundert bei Hildegard von Bingen auf.

Welche Wirkstoffe im Kohl enthalten sind, ist heutigen Konsumenten aber viel zu wenig bewusst. Vitamin C etwa wird meist mit Zitronen assoziiert, dabei weisen manche Kohlsorten - vor allem Kohlsprossen - die doppelte Menge dieses Vitamins auf. Außerdem enthält Kohl viel Vitamin B1und E, Kalium und Ballaststoffe sowie tumorhemmende Stoffe (Glucosinolate). Diese schützen dank ihrer antibiotischen Wirkung auch vor Erkältungen.

Wenn hierzulande von "Kohl" gesprochen wird, denkt jede(r) erst einmal an die dunkelgrünen Köpfe mit den gerippten Blättern, die korrekterweise als Wirsing bezeichnet werden. So nennen ihn auch die Deutschen, denn bei denen steht "Kohl" für Grünkohl - eine Sorte, die bei uns vergleichsweise weniger verbreitet ist, obwohl er ein köstliches Wintergemüse ist, das erst nach dem ersten Frost geerntet wird.

Zur Wirsing-Gruppe gehören übrigens auch längliche Sorten mit weniger gerippten Blättern, zum Beispiel der Chinakohl.

Kohlsorten mit glatten Blättern laufen bei uns unter dem Überbegriff "Kraut", je nach Blattfarbe mit der Vorsilbe Rot- oder Weiß-. Fast unnötig zu sagen, dass unsere korrekten Nachbarn hier von Rot-bzw. Weißkohl sprechen.

Weitere linguistische Abweichungen gibt es beim Rosenkohl - österreichisch: Kohlsprossen - und beim Blumenkohl vulgo Karfiol. Sprachliche Einigkeit herrscht hingegen bei den Sortenbezeichnungen Brokkoli und Romanesco, einer Kreuzung aus Karfiol und Brokkoli. In wieder gänzlich anderer Form erscheint der Kohlrabi, bei dem im Gegensatz zu anderen Sorten weder die Blätter noch die Blütenknospen, sondern der verkürzte Stängel der zum Genuss bestimmte Pflanzenteil ist.

Verkürzte Stängel und Blätterknospen (runde Köpfe) sind ein typisches Merkmal der Kohlgewächse. Man bezeichnet dieses bei Kulturpflanzen nicht seltene Steckenbleiben in einem frühen Entwicklungsstadium als Neotenie.

Eine - wie der Name schon sagt - nicht zum Verzehr bestimmte Kohl-Gruppe sei abschließend noch erwähnt, weil sie seit einigen Jahren einen regelrechten Boom erlebt: der Zierkohl. In Weiß- oder Violetttönen zieren die gekrausten Köpfe ab Oktober viele öffentliche Parks und Gartenflächen. Im Sommer eher unscheinbar, beginnen ihre Farben erst zu leuchten, wenn es kalt wird - dann aber den ganzen Winter hindurch. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2001)