von Karl Fluch
Wien - "Gib mir meine Mütze zurück, Motherfucker! Meine Mutter hat sie mir auf ihrem Totenbett gegeben und gesagt, Sohn, wo immer du ein Konzert spielst, trag diese Mütze. Also her damit, Motherfucker, oder ich seh' dich in der Hölle!" Grund für derlei Drohungen war ein böser Stagediver, der vergangenen Freitag Mark Everett alias E die Mütze vom Kopf gerissen hat - bitte, ich hab's genau gesehen: Der mit den Dreadlocks war's! - und mit seiner Beute zurück ins Publikum köpfelte. Gemein.

Dabei gab sich Everett die größte Mühe, sein Publikum im restlos ausverkauften Planet Music zufrieden zu stellen. Auf seine Art: "Ist heute Freitag? Verdammt, ich dachte wir kämen mit einem Dienstagskonzert durch, und jetzt müssen wir eine Freitag-Show spielen."

Everett, der, von heftigem Bartbefall gezeichnet, oben auf der Bühne versuchte, mit der Konfusion des Tourlebens zurechtzukommen, ist Chef der US-Band Eels. Diese debütierte 1996 mit dem Album "Beautiful Freak", auf dem Amirock mit melodischem Pop vermählt und von den charmanten Spinnereien Everetts und seiner eher negativen Weltsicht in den Dreck urbaner Hinterstraßen gezogen wurde: Backstreet Boys, nur ohne Epiliergerät und Eiweißdrink. Eher Dosenbier und Sackratten.

Die beiden Folge-Alben "Electro-Shock Blues" und "Daisies Of The Galaxy" entstanden unter dem Eindruck des Verlustes von Everetts Schwester und Mutter und fielen entsprechend zartbesaitet bis depressiv aus: Misanthropische Freakshow-Folkore mit Kindermelodien und zerbrechlicher Instrumentierung verstärkten die durch Everetts Stimme ohnehin evozierte Melancholie der Eels, und hätte nicht stellenweise ein schäbig grinsender Zynismus sein Haupt erhoben, man hätte sich ernsthaft Sorgen um E machen müssen.

Nun erschien das vierte Studio-Album der Band und legt die Vermutung nahe, dass die wesentliche Trauerarbeit erledigt ist: Grobe Keyboard-Stöße, die druckvolle Gitarre von John Parish und ein generell eher im Lärm als in leisen Kleinoden sein Heil suchender Frontmann prägen das Erscheinungsbild von "Souljacker" - und das der Liveshow der Eels.

Slacker-Boogie

Vor allem das fundierte Spiel Parishs gab dem zur Unberechenbarkeit neigenden Everett Halt und ermutigte ihn gleichzeitig, sich gehen zu lassen: Dem Keyboard entlockte er ruppigen Slacker-Boogie, die Gitarre im Schritt, gab er den Chuck Berry auf Kollisionskurs - "Mütze her, Fucker!" - oder gab sich damit länglichen Exkursionen an die Belastungsgrenze des Publikums hin. So zog das Quartett "Not Ready Yet" bedenklich nahe an die Zehn-Minuten-Marke und machte in puncto Feedback Neil Young und seinem narrischen Pferd Konkurrenz, jedoch ohne das Motiv des Songs aus den Augen zu verlieren.

Everett, der schließlich seine Mütze zurückbekam - "Mann, stinkt die. Was hast du mit ihr gemacht, Motherfucker?" -, entsprach so seinem zu Beginn des Konzertes gegebenen "Sweet, Sweet Rock'n'Roll"-Versprechen. Die anfangs präsentierten rohen Song-Skizzen, die eher auf eine gewisse Planlosigkeit schließen ließen und leicht enervierend erschienen, ergaben im Verlauf des Abends ein spannendes Ganzes - mit Ecken, Kanten und Schmäh. Gut so, Mr. E. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11. 2001)