Es klang nichts beiläufig oder bieder an diesem philharmonischen Samstagnachmittag. Keinesfalls. Es war nur so, dass man sich abseits des betörend wattigen Schönklangs der Wiener Philharmoniker, die im Musikverein wieder zu guter Form aufliefen, etwas mehr Mut zum Herauszeichnen von strukturellen Schroffheiten gewünscht hätte. In Igor Strawinskys Suite Jeu de Cartes "flehen" sie ja regelrecht nach Erweckung. Dieses verspielte Orchesterstück mit seinen drängenden Linien, witzigen Seitenszenen und kuriosen Richtungswechseln lebt von Extremen, gemahnt regelrecht an trickfilmmusikalische Keckheit. Maestro Seiji Ozawa setzte allerdings eher auf das Aussingen schöner Ideen, das interpretatorische Auskosten der Phrasen und machte aus dem Opus eine etwas zu gemütlich anmutende Ansammlung von Musikspäßen, die sich auch in lustvollen Paraphrasen über Gioacchino Rossinis Ouvertüre zu Il Barbiere di Seviglia verwirklichten. Die Ouvertüre im Original, sie erklang ebenfalls. Ozawa, der sich bald für die Wiener Staatsoper in die Opernliteratur vertiefen wird, nahm sie ganz sanft und zierlich. Auch hier die Lust an der Kantilene und statt Ausbrüchen eher eine kultiviert ausbalancierte Version mit distinguierten Steigerungen. Dann aber doch: Ab dem dritten Satz von Antonín Dvoráks Symphonie Nr. 7 stieg die Musiktemperatur in hitzige Bereiche (der Romantik), und es stellte sich so etwas wie Unmittelbarkeit des Ausdrucks ein. Das klang dann ein wenig wie ein übermütiger Brahms, der auf dem Parkett der Schwermut ein Tänzchen riskiert. (tos) (DER STANDARD, Printausgabe vom 19.11.2001)