Einfach schrecklich, dass in der entscheidenden Phase der EU-Osterweiterung eine europafeindliche Partei in der Regierung sitzt, seufzen nicht nur Rote und Grüne, sondern auch viele Bürgerliche. Was aber wäre, wären die Freiheitlichen gerade jetzt in Opposition? Und sind die FP-Kritiker beim Thema Temelín überhaupt anderer Meinung als die FPÖ? Die SPÖ will das Energiekapitel im Vertrag für den EU-Beitritt Tschechiens nicht abschließen, bis die Sicherheitsfragen um Temelín geklärt sind. Auch wenn sie das auf keinen Fall als Veto sehen will, so gleicht es inhaltlich doch dem, was auch Freiheitliche - und nicht zu vergessen die Kronen Zeitung! - wünschen: eine Verknüpfung der EU-Osterweiterung mit dem Atomkraftwerk. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll meint Ähnliches, kritisiert ein wenig die FPÖ, spricht aber sogar von einer "Vetokarte im Ärmel". Sind es nicht die Falschspieler, die mit verborgenen Karten tricksen? Gäbe es jetzt eine rot-schwarze Koalition, würden FPÖ und einige "Landeshäuptlinge" zweifellos gerade einen Watschentanz mit der Regierung aufführen. Besonders die FPÖ könnte es nicht lassen, wahlweise Lawinen an radioaktiver Strahlung, Kriminalität sowie giftiger Lkw zu prophezeien. Sie wüsste Volk und Krone hinter sich. Als Regierungspartei tut man sich mit Populismus deutlich schwerer. Somit wird es kurioserweise einmal ausgerechnet die FPÖ sein, die an der Geschichte der EU-Osterweiterung mitgewirkt hat - auch wenn das Ganze manchmal wie ein großer Zirkus wirkt: Susanne Riess-Passer als Dompteurin, die ständig ihre wüsten Schützlinge disziplinieren muss. Und Wolfgang Schüssel als Zirkusdirektor, der die vagabundierende Truppe samt theatralischen Schaustellern vor dem selbst erzeugten Ruin zu bewahren sucht. (Martina Salomon, DERSTANDARD Print-Ausgabe 19.11.2001)