Hamburg - Irland hat Großbritannien vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg wegen befürchteter Verstrahlung des Meeres durch die englische Wiederaufbereitungsanlage Sellafield verklagt. Das Gericht soll nach dem Willen Irlands eine Einstweilige Verfügung gegen den geplanten Betrieb einer Fabrik zu Verarbeitung des hochgiftigen Plutoniums auf dem Gelände der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield erlassen. Die britische Regierung wies den Antrag am Montag umgehend zurück Die Regierung in Dublin befürchtet, dass das Meer zwischen den beiden Inselstaaten durch atomare Abfälle weiter vergiftet werden könnte. In der Klage wies der irische Generalstaatsanwalt Michael McDowell darauf hin, dass die Irische See zwischen beiden Staaten das am schwersten mit radioaktiver Strahlung verseuchte Gewässer der Welt sei. Irland habe darum eine Einstweilige Verfügung gegen den Betriebsbeginn für die so genannte MOX-Fabrik beantragt. In der Anlage soll Plutonium mit Uran zu neuen Brennstäben verarbeitet werden. Irland befürchtet dadurch eine weitere Strahlenbelastung für das Meer. "In diesem Prozess geht es darum, die Irische See von weiterer radioaktiver Verschmutzung zu schützen", sagte McDowell vor dem Seegerichtshof. Nach seinen Angaben stammt der größte Teil der Radioaktivität in der Irischen See aus Sellafield. In dem Ort an der britischen Westküste wird seit den fünfziger Jahren mit radioaktiven Stoffen gearbeitet. Im Lauf der Jahre entstand dort die neben dem französischen La Hague wichtigste europäische Anlage zur Aufarbeitung von abgebrannten Brennstäben. Umweltschützer wollten Inbetriebnahme gerichtlich verhindern An der irischen Ostküste, 184 Kilometer von Sellafield entfernt, wohnen rund 1,5 Millionen der 3,8 Millionen Bewohner Irlands. Die MOX-Fabrik in Sellafield ist seit 1996 fertiggestellt, produzierte aber bisher noch keine Brennstäbe. Am 3. Oktober 2001 stimmte die britische Regierung der Inbetriebnahme zu. In ihr sollen aus Uranoxid und dem Bombenstoff Plutoniumoxid Mischoxid- Brennelemente (MOX) für Atomkraftwerke hergestellt werden. Bisher ist geplant, dass die Fabrik Ende Dezember anlaufen soll. In der vergangenen Woche sind britische Umweltschützer mit dem Versuch gescheitert, die Inbetriebnahme gerichtlich zu verhindern. Vor dem Hamburger Seegerichtshof bedauerte die Irische Delegation, dass Großbritannien nicht auf die Sorgen der Iren eingegangen sei. Die Betriebsentscheidung sei gefallen, "ohne zumindest die Höflichkeit zu besitzen, das vorher mit Irland zu besprechen", klagte McDowell. Irland verlangt die Einsetzung eines UNO-Sondergerichts, das den Streit endgültig schlichten soll. In einer schriftlichen Entgegnung erklärte Großbritannien, das Gericht sei nicht zuständig. Fragen von Journalisten lehnten die Angehörigen der britischen Delegation ab, die von Generalstaatsanwalt Lord Goldsmith geleitet wird. In der schriftlichen Klageerwiderung erklärte Großbritannien, dass von dem MOX-Werk keine Gefahr ausgehen werde: "Die radiologische Auswirkung der Abfälle aus dem MOX-Werk wird unbedeutend sein", hieß es in der Erklärung. Im gesamten Sellafield-Komplex befinden sich zurzeit nach Angaben der Umweltschutzorganisation Greenpeace 70 Tonnen Plutonium. Dieses Material wolle die britische Regierung als Eigentümer von Sellafield "um die Welt verteilen, indem sie es zu so vielen MOX-Kunden wie möglich verschifft", wie Sprecher Shaun Burnie in Hamburg erklärte. Das Urteil soll in zwei Wochen verkündet werden. (APA)