"Ich werde keinen neuen Plan vorlegen, wir haben schon einen Plan, es ist ein solider Plan, er heißt Mitchell-Bericht" - mit diesen Worten dämpfte US-Außenminister Colin Powell die hochgeschraubten Erwartungen vor einer mehrmals verschobenen und umgeschriebenen Rede, die neue Nahost-Impulse geben sollte. Sowohl Israelis als auch Palästinenser hatten aber Zweifel daran, ob der Vortrag, der Montag an einer Universität in Kentucky gehalten werden sollte, wirklich den Ausweg aus dem Konflikt weisen würde.

Er wolle für die Region "eine Vision der Hoffnung und der Verheißung" präsentieren und darlegen, "was die USA zu tun bereit sind, um diesen Prozess voranzutreiben", kündigte Powell an. Nach der Vorstellung der USA müssten "beide Seiten gewisse Dinge tun", insbesondere müsste Palästinenserchef Yassir Arafat "eine hundertprozentige Anstrengung unternehmen, die Gewalt zu beenden, und wir müssen Ergebnisse sehen, die diese hundertprozentige Anstrengung widerspiegeln".

Druck oder warme Empfehlungen

Die große Frage blieb, ob die USA nunmehr konkreten Druck ausüben oder wie bisher nur warme Empfehlungen abgeben würden, mit der Umsetzung des Mitchell-Berichts zu beginnen. Der Fahrplan sieht hintereinander einen Waffenstillstand, eine Abkühlungsperiode, vertrauensbildende Gesten und politische Verhandlungen vor. Am Sonntag hatte Belgiens Premier Guy Verhofstadt, als Ratspräsident an der Spitze einer EU-Delegation auf Nahost-Tour, in Jerusalem betont, dass Europäer und Amerikaner nun "identische Standpunkte" hätten - "wir haben eine Verringerung der Gewalt gesehen", meinte Verhofstadt und drängte damit offensichtlich Israels Premier Ariel Sharon zu Gegenleistungen.

Doch Sharon gab zurück, Israel habe in den letzten zwölf Tagen 268 "Terrorzwischenfälle" mit fünf Toten und 59 Verletzten gezählt - Arafat führe nach wie vor "eine Koalition des Terrors", Sharon bleibt dabei, dass es sieben Tage lang "absolute Ruhe ohne Gewalt, Terror und Verhetzung" geben müsse, ehe man zur nächsten Phase der Mitchell-Empfehlungen übergehen könne.

Aus palästinensischer Sicht ist Sharons Forderung nur "ein Vorwand, der die Bemühungen um die Wiederaufnahme des Friedensprozesses torpediert". Die Israelis befürchteten zuletzt, dass Powell in seiner Rede die Bedingung der "sieben Tage Ruhe" fallen lassen könnte.

(DER STANDARD, Printausgabe, 20.11.2001)