Die Gewalt-Dramatik läuft heute - nach Sarah Kane - schnell Gefahr, platt oder wunderlich zu wirken. Die britische Autorin hat mit ihren Figuren Angstwelten wie Blasen aufgebrochen und ihnen mit Könnerschaft die einschneidend-sten Bilder verschrieben. Wer dieses Zeug nicht hat, braucht zumindest viel gute Absicht und Technik. Auf beides kann der 57-jährige niederbayerische Wiener Wilhelm Pevny verweisen. Und dennoch bleibt sein neues Stück "Keine Zeit fürs Paradies" wie ein falsch gefüllter Kuchen im Ensembletheater am Boden sitzen.

Vier einander unbekannte Personen, deren Identitäten sich im Vexier ihres Namen erschließen lassen, sperrt er ohne nähere Begründung in eine spärlich möblierte Wohnung: Den Banker Manker, die Tussi Tuzzi, den Quizmoderator Quinzy und die geheimnisvolle Carmen, die eigentlich Karin heißt. In diesem Kerker der Menschlichkeiten möchte er die unfreiwilligen Zimmergenossen an dessen Ränder jagen. Tut es aber nicht. In den Figuren steckt die Müdigkeit des Lebens draußen, aber sie sind nicht befähigt zur Angst. Sie sind die mittelmäßigen Kandidaten einer "Taxi Orange"-Folge. Gut designed, aber hohl.

Auch Regisseur Dieter Haspel verhält sich wie ein müder Verhaltensforscher und wartet ab. Zum Glück geht Anselm Lipgens als Manker in der Tat einmal die Wände hoch und stemmt sogar die Ikea-Couch. Der WUT-Schauspieler weiß am besten, wie eng die Leere seiner Figur ist.

Pevnys moralische Gewaltskala ist immer dann überschritten, wenn unschön gesprochen, oder man plump handgreiflich wird. Meist ausgehend von Männern und meist in puncto Sex. Dann überkommt den jeweiligen Täter die dämonisch verordnete Übelkeit, und er rennt unverrichteter Übeltaten zum Eimer. Es genügt schon zu sagen: "Ich lieb's mit dem Telefon." - Sofort regt sich der Schluckauf. Hilfe! (afze/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.11. 2001)