Dänemark hat es geschafft. Wir Österreicher müssen uns in der EU nicht mehr einsam fühlen, ab jetzt hat unsere schwarz-blaue Regierung einen kongenialen Partner in Europa. Nach einer verheerenden Niederlage der regierenden Sozialdemokraten kommt nun im Land der Wikinger-Epigonen eine Mitte-rechts-Koalition an die Macht, die auf die Unterstützung einer fremdenfeindlichen, rechtspopulistischen Partei, der Dänischen Volkspartei, angewiesen ist.

Peter Sichrovsky, der Moralbeauftragte der FPÖ, sah deshalb sofort Zeichen, dass "die Moralisierung der unterschiedlichen politischen Argumente durch die Linke in der europäischen Demokratie nicht mehr funktioniert". Moral? Ist doch pfui Teufel.

Undank ist der Wähler Lohn,

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel beeilte sich festzustellen, dass Reformkraft nur von Mitte-rechts kommen könne und gratulierte dem Wahlsieger Anders Fogh Rasmussen von ganzem Herzen. Im übrigen Europa teilte man den österreichischen Überschwang eher nicht, man verhielt sich diplomatisch still.

Undank ist der Wähler Lohn, wird sich der gestandene Wahlverlierer Poul Nyrup Rasmussen in der Wahlnacht gedacht haben. Unter seiner Ägide hat Dänemark seit den 90er-Jahren einen rapiden Wirtschaftsaufschwung hingelegt, die Arbeitslosigkeit ist mit rund fünf Prozent so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr, Inflation ist unbekannt, der Ausländeranteil beträgt um die sieben Prozent und ist damit weit geringer als in den meisten anderen EU-Staaten.

Angst vor Zuwanderung

Nach den Terroranschlägen in den USA sah Premier Rasmussen eine Chance, die Opposition ruhig zu stellen und sich selbst als einen international vertrauenswürdigen Staatsmann in vorgezogenen Neuwahlen bestätigen zu lassen. Mitten im Fluss wechselt der Wähler nicht die Pferde, schien sich der linke Rasmussen gedacht zu haben, doch die Wähler behielten die Pferde, wechselten den Kutscher und hoben den rechten Rasmussen auf den Bock.

Für die Wähler war etwas faul im Staate Dänemark: Sie vergaßen, dass es ihnen eigentlich gut geht, und fürchteten sich plötzlich vor den Fremden. Im traditionell liberalen Königreich - Dänemark zahlt pro Kopf weltweit am meisten für Entwicklungszusammenarbeit, sogar die Prinzen haben ausländische Frauen beziehungsweise Freundinnen - fielen während des Wahlkampfes Töne, als hätte ein Kärntner Mundwerker höchstpersönlich die Regie übernommen.

Rechtsliberale und Rechtspopulisten überboten einander mit fremdenfeindlichen Aussagen, die Sozialdemokraten wiederum fühlten sich dadurch genötigt wie einst Karl Schlögl und versuchten die Rechten rechts zu überholen; man pfiff auf die "Political Correctness". Dänemarks SP-Innenministerin Karen Jespersen wollte kriminell gewordene Ausländer gar auf eine "einsame Insel" - auf Dänisch "öde Ö" - verbannen, jetzt sitzt sie politisch selbst auf einer solchen.

Denn es zeigte sich wieder einmal, dass fremdenfeindliche Parolen von Rechtspopulisten glaubwürdiger klingen als ähnliche Ansagen von getriebenen Sozialdemokraten. Deshalb hat sich Dänemarks Sozialdemokratie die schwere Schlappe selbst zuzuschreiben: Alternativen zu rechtspopulistischen Standpunkten wurden nicht entwickelt, Ängste der Bürger wurden nicht verstanden.

"Österreich light"

Trotz allem gibt es einen Unterschied zu Österreich: In Dänemark, einem Land mit langer Tradition in Sachen Minderheitsregierung, sitzen die Rechtspopulisten nicht wie bei uns in der Regierung, Dänemark kann höchstens als "Österreich light" gelten. An Haider-Erscheinungen glaubt in Dänemark niemand.

Verunsichern muss Europas Politiker jedoch die Tatsache, dass wachsender Reichtum auf unserem Kontinent mit wachsender Fremdenfeindlichkeit verbunden ist. Die Angst vor materiellem Verlust überdeckt jene humanistische Solidarität, auf die unsere Kultur nach außen so stolz ist. Je reicher wir werden, desto unmenschlicher werden wir Europäer offenbar. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2001)