Mit Leidenschaft verteidigten am Mittwoch die Spitzen der schwarz-blauen Koalition im Nationalrat die Verwaltungsreform. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sprach von einem "großen Wurf" und zitierte eine Reihe von "Regierungskritikern" wie die Präsidenten von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer sowie etliche Landeshauptleute bis zum steirischen Universitätsprofessor Bernd Schilcher, die sich positiv über die Reform geäußert hätten. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer untermalte die Lobeshymne mit eingängigen Bildern, indem sie erläuterte, dass in Zukunft nicht mehr die Bürger laufen müssten, sondern die Akten.

Wie bei derartigen kollektiven Übungen in der Abgabe von Gemeinplätzen vorhersehbar, konterte die Opposition nicht minder pauschal und ließ kein gutes Haar am Reformpaket. Was ebenfalls einen übertriebenen Charakter hatte, zumal die SPÖ in den Tagen ihrer Regierungsbeteiligung ähnliche Ideen zum Dauerthema Verwaltungsreform geliefert, wenngleich nicht umgesetzt hat.

So wollte schon Finanzstaatssekretär Wolfgang Ruttenstorfer (SPÖ) das One-Stop-Shop-Prinzip einführen, um die Bewilligungsverfahren für Betriebe zu verkürzen. Die Aufwertung der Bezirksverwaltungsbehörden zu zentralen Anlaufstellen sowie "New Public Government" sind auch nicht von der derzeitigen Administration erfunden worden. Ins wunderliche Bild passt auch, dass ausgerechnet die Sozialdemokraten nun ihre Liebe zum ländlichen Raum entdecken, den sie angesichts der Schließung von Finanzämtern, Bezirksgerichten, Gendarmerieposten und Postämtern veröden sehen.

Gründlich danebengegangen ist allerdings das handwerkliche Kernstück der Reform, das Vorruhestandsmodell für Beamte. Um den Personalabbau in der Verwaltung zu erleichtern, wird Beamten ein äußerst attraktives Frühpensionsmodell befristet bis 2003 angeboten. Demnach können sie sich ab 55 mit 80 Prozent des Letztbezuges bis zur Pensionierung karenzieren lassen (Vorruhestand). Abgeschaut hat der Arbeitgeber Bund dieses Modell von der Privatwirtschaft, wo ältere und somit teure Arbeitnehmer mit einem "Golden Handshake" frühzeitig in Pension geschickt werden. Kein Wunder, dass die ÖVP-dominierte Beamtengewerkschaft dem Vorruhestandsmodell freudig zustimmt. So kräftig kann man sich auf Kosten anderer Versicherungsgruppen und letztlich der Steuerzahler schließlich nicht oft bedienen.

Die Arbeitnehmer "draußen" können von 80 Prozent des Letztbezugs in der Frühpension nicht einmal träumen. Womit die schwarz-blaue Regierung nicht nur das ungerechteste Modell gewählt hat, um ihr Personalproblem zu lösen, sondern in schamloser Offenheit ihre eigenen Aussagen durch gegenteiliges Tun widerlegt. Denn es ist nicht zuletzt der Regierungschef selbst, der stets die hohe Zahl der Frühpensionisten beklagt und ohne Unterlass eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters fordert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2001)