Ozzy Osbourne, der frühere Sänger der britischen Heavy Metal-Legende Black Sabbath, bietet auch solo Unterhaltung für die ganze Familie. Zwischen Beelzebub, Robbie Williams und Mutter Beimer: Der Mann hat große Klasse, findet
Christian Schachinger
.
"Unser Außenstellen-Mitarbeiter hat heute in Las Vegas mit Satan gesprochen. Dieser möchte zur Frage, ob es sich bei Ozzy Osbourne tatsächlich um den Anti-Christ handle, folgende Stellungnahme abgeben: 'He is not my boy, but I love him like a son!'" Das Video zur Single
Gets Me Through
von Ozzy Osbourne, ausgekoppelt aus dem Album
Down To Earth
, hat schon etwas.
Nicht nur, dass die im Alter rein äußerlich immer mehr an die schwedische Tragödin Liv Ullmann erinnernde männliche Diva des von ihm mitgeprägten Heavy Metal aus der Gründerzeit sozusagen den Bierbauch mit großer schwarzer Abend-, nein, Nachtrobe verhüllt und gestisch den sterbenden Schwan mimt. Ozzy irrt in
Gets Me Through
auch durch kindisch mit Theaterblut getränkte Zimmerfluchten und reißt mordgierig die kajal-umrandeten Augen auf, als gelte es, Madonna und ihr berühmtes
Frozen
-Video von der Salzwüste in Utah in den Gastgarten vom Wiener Stelzenbrater Schweizerhaus zu verlegen: "Ich hätte meine Schweinshaxe bitte gern englisch!"
Auch textlich wird hier mit berüchtigt greinender Stimme beste Qualität in einem Genre geboten, das von seinen Anhängern im Gegensatz zu den ausführenden Künstlern mindestens doppelt so ernst genommen wird, als es nötig wäre: "I'm not the kind of person you think I am, I'm not the antichrist or the iron man, I have a vision that I just can't control, I feel I've lost my spirit and sold my soul. Got no control . . ." Bitte, das hat doch nichts mit dumpfem Okkultismus zu tun. Das ist postpubertärer schlechter Geschmack, der zudem hochkomisch ist!
Der bald 53-jährige Ozzy Osbourne gibt auf seinem geschätzten 13. Soloalbum nicht nur zu wenig eleganten, von der Herkunft her eindeutig aus dem Bluesrock kommenden Gitarrenriffs des nach persönlichen "Problemen" wieder zu Ozzy zurückgekehrten Zakk Wylde wieder den Robbie Williams (oder die Mutter Beimer) des harten Mannes. Immerhin kann man hier schon seit dem selbstbetitelten Banddebüt
Black Sabbath
aus 1970 und nachfolgenden Arbeiten wie
Paranoid, Masters Of Reality, Sabbath Bloody Sabbath
oder
Sabotage
, allesamt stilprägende Klassiker des Metal, trotz aller sinistren und der "Welt südlich des Himmels" zugewandter Posen vor allem seit seinem musikalischen Alleingang ab 1980 eine gewisse Neigung bei Ozzy Osbourne nicht übersehen: Der Mann sieht sich weniger als Hohepriester für junge Menschen, die ihre Eltern ein wenig mit gotteslästerlichem Treiben ärgern wollen. Er sieht sich vor allem als humoriger Entertainer.
Dazu gehören dann auch Ausrutscher wie jener berühmte, als Ozzy im Drogennebel einst während eines Konzerts einer lebenden Fledermaus den Kopf abbiss, weil er diese für ein Gummispielzeug hielt. Wahr oder falsch, egal. Auf die gute Geschichte kommt es an. Wahr ist jedenfalls eines: 1992 gastierte Ozzy Osbourne auf
March Or Die
, dem Album der befreundeten britischen Band
Motörhead
mit der augenzwinkernden Ballade
I Ain't No Nice Guy After All
. Ein wenig Kintopp-Satanismus für die Eltern - und dann auch noch die jugendliche Stammkundschaft erschrecken: Bei weichgespülten Jammerlappen-Balladen gefriert noch dem härtesten Metal-Fan das Herz in der Hose.
Diesbezüglich leistet sich Ozzy nach seiner großen Vergangenheit bei Black Sabbath und legendären, im Alleingang veröffentlichten Arbeiten wie
Blizzard Of Ozz
,
Diary Of A Madman
,
Tribute
oder
Ten Commandments
trotz aller nicht nur selbstauferlegter künstlerischer Limitationen, wie einer ungefähr nur eine Viertel Oktave umfassenden Stimme oder gewisser Kapazitätsgrenzen im Tempobereich, heute neben dem üblichen Hau-drauf-und-Schluss gleich mehrere balladeske Genickwatschen gegen alle Mopedrocker dieser Welt:
Dreamer, You Know
oder
Running Out of Time
. Hier sülzt eine im Gewerbe hochgradig verbotene Orgel - und Ozzy Osbourne gibt - man kann es kaum fassen - den Brian Wilson für Kuttenträger. Die Beach Boys entdecken Allerseelen. Dagegen nehmen sich Schüler des Metal-Übervaters wie Marilyn Manson wie Chorknaben aus. Am härtesten ist es, weich zu sein. Auch in der Birne.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 11. 2001)