Pianist Markus Hinterhäuser, mitverantwortlich für das renommierte Festival "Zeitfluss", das es in Salzburg nie wieder geben wird, widmet sich am kommenden Wochenende beim Festival "Wien Modern" an zwei Tagen dem Gesamtklavierwerk von Morton Feldman: ein Selbstversuch mit ungewissem Ausgang.
Von Ljubisa Tosic
Wien - Geht Morton Feldman mit einer neuen, recht komplexen Komposition zu seinem Lehrer Stefan Wolpe. Der schaut sich die Neuheit an und fragt: "Sag', Morton, denkst du nie an den Mann von der Straße, wenn du schreibst?" - Feldman geht zum Fenster, blickt hinunter und sieht Maler Jackson Pollock, den eher sehr abstrakten Expressionisten. Pianist Markus Hinterhäuser lacht, weiß aber natürlich nicht, ob die Geschichte stimmt. Zweifellos passt sie jedoch sehr gut zur Beschreibung des radikalen Subjektivismus von Feldman, dem Philosophen der musikalischen Langsamkeit. Und ist somit einfach wahr. Punkt. Wenn der 42-jährige Hinterhäuser an sein Vorhaben denkt, bei Wien Modern an zwei Tagen das Klaviergesamtwerk von Feldman aufzuführen, vergeht ihm zwar nicht das Lachen. Allerdings nennt er sein Unterfangen "einen Selbstversuch mit ungewissem Ausgang. Ich glaube, das hat noch niemand probiert. Und man findet ja auch selten Veranstalter, die sich auf eine solche Sadomaso-Sache einlassen." Aktiv und passiv Bei Feldman und seinen bisweilen doch langen Stücken, so Hinterhäuser, "ist das Zeitgefühl völlig aufgehoben. Man macht auch absurdeste physische Zustände durch. Man ist als Interpret auch in einer dialektischen Situation: Man muss aktiv in der Passivität sein. Alles, was man aktiv darstellt, zerstört die Musik. Andererseits ist man aktiv, schaut, dass alles richtig läuft. Die Stücke zerfallen sehr leicht, wenn man nicht ständig dran bleibt." Das Besondere an den Konzerten ist auch die Vermittlung des Frühwerkes von Feldman aus den 50er- und 60er-Jahren. "Entwicklungen lassen sich da wie unter einem Mikroskop nachvollziehen. Die Art, Klavier zu spielen, ist bei Feldman einzigartig. Es ist kein Klavierspielen, es ist eher ein Klavierberühren. Diese Langsamkeit, das Melos, alles ist sehr leise: Es ist wichtig, abseits der Atmosphäre auch totale Durchhörbarkeit zu schaffen." Man wird am Wochenende auch einigen ganz konventionellen Stücken begegnen: "Die spiele ich nur in diesem Kontext, aber dann nie wieder! Rührend ist eine einsätzige Sonate des 17-Jährigen. Ganz selbstbewusst steht da: ,In Memoriam Béla Barók'. Alles ist grave, maestoso und völlig unreif." Ende für Zeitfluss Es gibt für Hinterhäuser indes auch ein Leben ohne Feldman. In Salzburg hat er etwa das Zeitfluss -Festival kreiert, das den Salzburger Festspielen ein modernes Image mitverpasst hat. Und am 9. Jänner 2002 ist er in Zürich bei Christoph Marthalers szenischer Umsetzung von Schuberts Die schöne Müllerin dabei. Mit Zeitfluss ist jetzt übrigens Schluss. Der neue Herr in Salzburg, Peter Ruzicka, "hat uns sehr unschön abserviert, in Salzburg wird es uns nicht mehr geben". Er und sein Partner Tomas Zierhofer-Kin sind jetzt in der Phase des Grübelns. Hans Landesmann, ehemals Finanz- und Konzertchef in Salzburg, will das Duo zu den Wiener Festwochen holen, aber beide wissen nicht einmal, ob sie den Namen Zeitfluss weiter verwenden sollen. Geschweige denn, was der Inhalt ihrer Aktivitäten sein soll. Bis Ende des Jahres wird Klarheit herrschen. Einen neuen Versuch beim Barden Leonard Cohen werden sie wohl nicht wagen. "Den wollte ich einladen, damit bin ich aber gnadenlos gescheitert. Sein Manager meinte am Telefon mehrfach einsilbig: ,Mister Cohen doesn't do anything!' Meinen letzten Versuch quittierte er mit der Variation: ,The People had offered the Moon to Mister Cohen, but Mister Cohen doesn't do anything!' Tja . . ." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 11. 2001)