Fünf Wissenschafter-Teams der Universität Graz wurden ausgezeichnet
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Graz - Die Forschungsarbeiten reichen vom "Darmgehirn" bis
zum Brustkrebs, von durch Bluthochdruck verursachten
Nierenschädigungen bis zu einer Operationsmethode, die behinderten
Kindern hilft: Am Freitag wurden fünf Wissenschafter-Teams der
Universität Graz mit den diesjährigen Preisen der Aventis-Stiftung
zur Förderung der medizinischen Forschung ausgezeichnet.
Brustkrebs ist nicht nur eine Krankheit des entstandenen Tumors:
Grazer Pathologen haben im Rahmen eines der ausgezeichneten Projekte
bewiesen, dass sich genetische Veränderungen nicht nur in den
bösartigen Anteilen des Brustgewebes finden. Univ.-Prof. Dr. Farid
Moinfar vom Institut für Pathologie der Universität Graz konnte
zeigen, dass es offenbar schon frühzeitig zu einer Interaktion
zwischen den bösartigen Zellen und dem umgebenden (gutartigen) Gewebe
kommt.
"Im Grund haben wir untersucht, ob bestimmte genetische
Veränderungen, die in malignen (bösartigen, Anm.) Tumoren auffällig
sind, auch in Gewebe in der Nähe zu einem Karzinom oder weiter
entfernt bemerkt werden können", erklärte Moinfar aus Anlass der
Zuerkennung des Preises.
Verschwinden
Bekannt ist, dass bösartige Zellen oft Gen- oder
Chromosomenabschnitte verlieren. Das führt häufig zu einem Verlust
der Heterozygosität. Der Grazer Wissenschafter: "Normalerweise hat
ja jede Zelle zwei Kopien von jedem Gen. Eine stammt von der Mutter,
eine vom Vater." Doch bei der Entartung von Zellen in Richtung Krebs
verschwinden oft Anteile einer der Gen-Kopien oder gar ganze Teile
von Chromosomen. Das kann zum Beispiel zur Ausschaltung von
Tumor-Suppressor-Genen führen. Wichtige Kontrollmechanismen fallen
dann aus.
Um die Verbreitung solcher Veränderungen bei gesunden Frauen und
bei Brustkrebspatientinnen zu untersuchen, verglichen die Grazer
Wissenschafter das Vorhandensein dieser Gen-Veränderungen an Hand von
Gewebeproben aus Brustkrebstumoren (Epithelialzellen) sowie von
Proben aus dem umgebenden bzw. entfernteren Bindegewebe (Stroma). Als
Vergleichsmaterial dienten aber auch Brustgewebeproben von gesunden
Frauen nach kosmetischen Eingriffen.
Neues Licht
Was sich bei den Tests herausstellte, wirft ein neues Licht auf
bisher wenig bekannte Umstände: Bei 73 Prozent - acht von elf - der
untersuchten Brustkrebspatientinnen zeigten sich die
charakteristischen genetischen Veränderungen sowohl im Tumorgewebe
selbst als auch im ("gesunden") Bindegewebe. Zum Teil wurden sie auch
noch weiter entfernt vom Karzinom entdeckt. Bei den gesunden Frauen,
die einen kosmetischen Eingriff an der Brust durchführen hatten
lassen, gab es keine derartigen Hinweise auf genetische
Veränderungen. Moinfahr: "Wir kommen zu der Schlussfolgerung, dass
das Stütz- und Bindegewebe (Stroma, Anm.) der weiblichen Brust eine
Schlüsselrolle in jenen Prozessen spielt, die zur Transformation von
(Epithel-)Zellen bei der Entstehung eines Mammakarzinoms führen."
Weitgehend autonom
Dem Laien kaum bekannt: Im Darm des Menschen gibt es mehr
Nervenzellen als im Rückenmark. Derart "unauffällig" steuert dieses
"Gehirn" weitgehend autonom die Funktion des lebenswichtigen Organs.
Grazer Wissenschafter haben herausgefunden, dass offenbar bestimmte
Neuropeptide und die Rezeptoren, an denen sie wirken, eine besondere
Rolle spielen.
Anaid Shahbazian und ihr Mitautor Univ.-Prof. Dr. Peter Holzer
wurden dafür mit einer der Auszeichnungen der Aventis-Stiftung
geehrt. "Man spricht manchmal sogar vom zweiten Hirn des Menschen,
wenn die Rede vom Nervensystem des Darms ist. Immerhin gibt es dort
rund 100 Millionen Nervenzellen. Das sind mehr als im Rückenmark",
erklärte Shahbazian.
Nervenbotenstoff
Die Wissenschafterin hat sich speziell mit dem Nervenbotenstoff
Endothelin beschäftigt. Er wird von den Nervenzellen im Darm
produziert. Um die genaue Wirkungsweise zu bestimmen, untersuchten
die Grazer Forscher, wie sich diese Substanz auf die Peristaltik von
isolierten Darmabschnitten von Meerschweinchen auswirkte.
Shahbazian: "Endothelin fördert oder hemmt die Darmperistaltik, je
nachdem, ob es über Endothelin-A-Rezeptoren oder
Endothelin-B-Rezeptoren wirkt." Solche Funktionen dürften auch eine
Rolle bei der Darmlähmung als akute Erkrankung - beispielsweise als
Nebenwirkung einer Narkose - spielen. Nun hoffen die Wissenschafter
auf die Entdeckung von Arzneimitteln, um solche Probleme besser
behandeln zu können.
Bessere Behandlungsmethoden für Kinder mit Lähmungen nach vor oder
bei der Geburt erlittenen Gehirnschäden: Für eine Studie mit 22
Kindern mit "Spitzfuß"-Lähmungserscheinungen an den Beinen erhielt
Dr. Vinay Saraph, Oberarzt an der Abteilung für Kinderorthopädie an
der Universitätsklinik für Kinderchirurgie in der steirischen
Landeshauptstadt, einen der Preise der Aventis-Stiftung.
Saraph: "Früher hat man diesen steifen 'Spitzfuß' als häufige
Folge frühkindlicher Hirnschäden - zu solchen kommt es immer noch bei
einem bis drei von 1.000 Neugeborenen - unzureichend durch
Gipsverbände behandelt." Zwar wurden mehrere Verfahren zur operativen
Behandlung des "Spitzfußes" entwickelt, doch die Chirurgen waren mit
den Ergebnissen nicht absolut zufrieden.
Operationsmethode nach Baumann
Eine Neuerung brachte vor einigen Jahren (ab 1989) die
Operationsmethode nach Baumann. Sie wurde nach einem Schweizer
Orthopäden benannt. Saraph: "Dabei werden die Faszie - also die Hülle
- der beteiligten Muskeln quer gekerbt und die Muskelfasern gedehnt."
Laut der Studie der Grazer Experten ist dieses Verfahren wesentlich
besser als die alten.
Die beiden weiteren ausgezeichneten Projekte: Dr. Sabine Zitta von
der Abteilung für Nephrologie der Medizinischen Universitätsklinik
in Graz hat nachweisen können, dass Bluthochdruckpatienten schon
frühzeitig Veränderungen der Nierenfunktion aufweisen. Im
Frühstadium lässt sich das allerdings durch die medikamentöse
Therapie der Hypertonie wieder korrigieren. Dr. Gunther Marsche vom
Institut für Medizinische Biochemie und Medizinische
Molekularbiologie der Universität Graz und sein Team haben
schließlich Detailmechanismen bei der Entstehung der
"Gefäßverkalkung" (Atherosklerose) entschlüsselt.
Die Aventis-Stiftung vergibt jährlich 500.000 Schilling für von
Jurys ausgewählte medizinische Forschungsprojekte an den drei
medizinischen Fakultäten (Wien, Innsbruck und Graz). (APA)
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